1398 - Tänzer, Tod und Teufel
lange er unbeweglich gestanden hatte, konnte er nicht sagen.
Bestimmt nicht länger als zehn Sekunden, da fing sein Besucher an zu sprechen.
»Komm her!«
Seine Stimme klang so kalt. Und Kälte spürte Gürük auch auf seiner Haut und in seinem Innern. Beides schien mit Eis eingerieben worden zu sein, und er hatte auch den Eindruck, nicht mehr sprechen zu können, weil ein dicker Brocken in seinem Hals steckte.
Gürük wusste genau, was dieser Besuch zu bedeuten hatte. Illusionen machte er sich nicht, aber trotzdem hoffte er auf eine winzige Chance. Deshalb tat er auch, was sein grausamer Besucher verlangte, und versuchte nicht, die Flucht zu ergreifen.
Er ging nach vorn. Das Wasser setzte ihm ein gewisses Hindernis entgegen, sodass er den Eindruck hatte, sich langsam vorankämpfen zu müssen, um das Ziel zu erreichen.
Eine halbe Armlänge von Rand entfernt blieb er stehen. Sein Sichtwinkel war schlechter geworden. Um den Killer anschauen zu können, musste er den Kopf in den Nacken legen, was nicht eben bequem war.
»Wer bist du?«
Jetzt, nachdem er die Frage gestellt hatte, überkam ihn die Furcht wegen seiner Kühnheit, aber der Besucher schien darauf nur gewartet zu haben, denn sogleich gab er die Antwort.
»Ich bin der Göttliche!«
Bei einer anderen Gelegenheit hätte Gürük sicherlich gelacht, das schaffte er hier nicht, und so deutete er nur ein Kopfschütteln an, was Azer zu einer neuen Antwort verleitete.
»Ich bin der von den Göttern Geschickte. Ich bin der Wahre, und ich bin der Echte. Ich habe die Götter gesucht und sie auch gefunden, und sie haben mir die Kraft gegeben, die ich als Mensch brauche. Daran solltest du immer denken. Ich habe in den Bergen, zwischen Himmel und Erde, den göttlichen Ruf vernommen. Ich habe sie gesehen. Ich habe erlebt, dass sie auch heute noch über uns wachen, und sie haben mich zu ihrem Rächer und Richter ernannt.«
Gürük nickte devot. Jetzt nur nichts falsch machen. Ihn nur nicht verärgern. Er wollte sich auf dessen Seite stellen und sagte: »Auch ich habe von den Göttern gehört. Bist du gekommen, um mich zu ihnen zu bringen?«
»Nein«, sagte Azer. »Einen wie dich würden sie ablehnen. Sie hassen die Verräter, die Machtbewussten, die in Wirklichkeit ohne Macht sind und nach anderen Schätzen jagen. Ich bin gekommen, um dir einige Fragen zu stellen.«
»Bitte, wenn ich dir helfen kann…«
»Das kannst du. Lass uns davon ausgehen, dass sich etwas in deinem geistigen Besitz befindet, das dir nicht gehört.«
»Ähm… wie sollte …«
»Man hat dir etwas anvertraut, Gürük.«
Dem Türken schoss das Blut in den Kopf. Er hoffte, dass sein Besucher es bei diesem Schummerlicht nicht bemerkte. Er senkte den Kopf, schaute auf die Wasserfläche und sah, dass sich die Deckenlichter wie unruhige Geister darin abmalten. Dieses Bild gab auch das zurück, was er empfand. Eine innerliche Unruhe, eine große Angst, die ihm wieder den Schweiß aus den Poren trieb.
»Ich weiß nicht, was du meinst!«
Der Hieb erfolgte schnell, ohne dass Gürük vorgewarnt worden wäre. Die Klinge huschte nach unten, und plötzlich brannte eine Stelle dicht unter seinem Hals. Der Besucher hatte die Spitze des Säbels blitzartig von links nach rechts gezogen und eine Wunde hinterlassen.
Der Schock traf Gürük einen Moment später. Da sackte er zusammen, als hätte man ihm die Füße weggerissen. Das Wasser schlug über seinem Kopf zusammen, er bekam keine Luft mehr, schluckte Wasser, tauchte wieder auf und hustete röchelnd.
Er konnte nichts tun. Gürük fühlte sich nicht mehr als Mensch, sondern nur noch als Spielball.
»Wo ist es?«
Gürük zuckte zusammen. »Wo ist was?«
Der nächste Streich. Diesmal erwischte es ihn an der rechten Schulter. Er zuckte zusammenund stieß einen heiseren Laut aus.
»Noch mal: Wo ist es?«
»Du… ähm … du sprichst von der Ladung Heroin?«
»Ja, von der, die verschwunden ist.«
»Ich habe es nicht.«
»Das weiß ich, aber ich weiß auch, dass dir sein Aufenthaltsort bekannt ist!«
Gürük schluckte. Er holte auch schwer Luft. Er versuchte, zu denken, und forschte nach einem Weg, wie er aus dieser Lage wieder herauskam, ohne sein Leben zu verliefen. Er brauchte eine Chance, eine winzige Chance, und die musste es doch geben. Bisher hatte er sich in seinem Leben immer durchgemogelt und…
»Ahhh…!«
Sein Schrei jagte durch das Bad. Azer hatte wieder kurz zugeschlagen und die linke Schulter getroffen. Der Schmerz floss durch
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