1399 - Ich, der Henker
er Justine gegenübertrat.
Sie war eine Gefangene, er hingegen war frei!
Die Verhältnisse waren wieder gerichtet und eingerenkt.
Sie würde winseln, sie würde ihn bitten, sie aus dem Käfig zu befreien, und dann war er in der Lage, seine Bedingungen zu stellen. Er hatte vor, sie zu demütigen, um ihr dann zu verzeihen und sie wieder an seiner Seite aufzunehmen. Ihre Partnerschaft damals war ja nicht schlecht gewesen. Sie hatten einiges bewegen können. Nur das ganz große Ziel war nicht erreicht worden.
Auf ihr Gesicht war er gespannt, wenn er sich plötzlich dem Käfig näherte. Die Hexen und das Feuer waren vergessen. Er dachte auch nicht mehr an Assunga, die er überhaupt nicht gesehen hatte. Wenn sie da war, musste sie sich irgendwo in dieser finsteren Welt versteckt halten, anders war es nicht möglich.
Justine hockte im Käfig auf dem Boden, den Rücken dem Feuer zugewandt.
Auch die Hexen kümmerten sich nicht um sie. Sie taten eigentlich nichts. Manche starrten in die Flammen. Wieder andere gingen hin und her, und Assunga erschien ebenfalls nicht.
Für Dracula II war die Gelegenheit günstig. Er ließ sich tiefer sinken, zog sich dabei auch weiter in die Dunkelheit zurück, wo er einen besonderen Schutz genoss, und dort veränderte sich seine Gestalt wieder, als er den Erdboden berührte. Er schlug mit den Flügeln um sich. Sein Körper zuckte einige Male, und wenig später war aus ihm ein Mensch geworden.
Eine schwarze, hoch aufgerichtete Gestalt mit einem blassem Gesicht und dem roten D auf der breiten Stirn.
Aber er war vorsichtig. Nicht nur die gefangene blonde Bestie war hier von Feinden umgeben, auch er. Von Assunga beeinflusst waren die Hexen auf ihn eingeschossen, wobei er nicht wusste, ob sie echte Hexen waren oder nur Mitläuferinnen, die unter dem hypnotischen Einfluss der Schattenhexe standen.
Wie dem auch war. Er wollte nicht, dass sie seine Vampirwelt übernahmen. Gerade hier konnte er Zeichen setzen und der anderen Seite zeigen, wer letztendlich die Macht hatte.
Justine Cavallo hatte ihn noch nicht gesehen. Sie saß im Käfig, die Beine angezogen, den Rücken hatte sie gegen die Stäbe gedrückt, und sie hielt den Kopf gesenkt, wobei Mallmann nicht erkennen konnte, ob ihre Augen offen oder geschlossen waren.
Keiner kümmerte sich um Mallmann. Er richtete sich auf. Er fühlte sich wieder wie ein Sieger. Wer ihn angriff, musste mit seiner Vernichtung rechnen.
Schritt für Schritt bewegte er sich auf den Käfig zu. Aus dem tiefen Grau seiner Vampirwelt tauchte er auf und schritt hinein in die flackernde Unruhe, die Dunkelheit und Licht in die düstere Welt hineinzauberten.
Er sprach Justine nicht an. Er wollte es tun, wenn er den Käfig erreicht hatte.
Aber die Vampirin musste etwas gespürt haben.
Zuerst war es bei Justine nur ein kurzes Zucken, dann hob sie den Kopf und schaute nach vorn.
Mallmann sagte noch nichts. Er genoss seinen Auftritt und kam immer näher an den Käfig heran.
Bis er ihn erreicht hatte und sich seine Händen um die Stangen schlossen.
»Hallo, Justine«, sagte er nur…
***
Was wir hier zu sehen bekamen, war schon ungewöhnlich, weil es nach meinem Gefühl einfach nicht in die Vampirwelt passte. Ich hatte sie bisher nur als düsteres Ganzes erlebt. Jetzt aber hatte sich in dieser Welt eine Szenerie aufgebaut, über die ich nur erstaunt den Kopf schütteln konnte. Was vor uns lag, war ein Hexenlager.
Da gab es das Licht, das zwar nicht strahlend die Finsternis zerriss, sondern als Feuer ein zuckendes und manchmal auch noch düsteres Zentrum bildete, aber es war eben ein Mittelpunkt, um den sich die Frauen versammelt hatten.
Jane streckte vorsichtig ihren Arm aus und schüttelte dabei den Kopf. »Das sind sie, John. Das sind Assungas Hexen.«
»Kann sein. Nur weiß ich nicht, ob jede dieser Frauen eine wirkliche Hexe ist. Sie können sich ihr einfach nur angeschlossen haben.«
»Ja, schon. Trotzdem bleibt es für mich faszinierend. Ein Hexenlager, so sehe ich es.«
Jane bekam von mir keine gegenteilige Bemerkung zu hören. Ich blieb ebenso still wie sie und ließ meine Blicke durch das Lager schweifen, dessen Mittelpunkt das Feuer war.
Die Frauen selbst wirkten äußerst inaktiv. Sie bewegten sich zwar, aber ansonsten taten sie nichts. Sie gingen und blieben dabei in der Nähe des Feuers, dessen zuckendes Verwirrspiel auch ihr Aussehen veränderte, sodass sie uns manchmal wie künstliche Gestalten vorkamen, die durch eine ungewöhnliche Welt
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