1399 - Ich, der Henker
verbrannt wirst, und ich handelte, ohne vorher nachzudenken. Aber du hast mich lange genug unter Druck gesetzt. Du kennst keine Dankbarkeit, du lässt nicht locker, und du wirst alles unternehmen, um mich von meinem Weg abzubringen. Ich soll an deiner Seite stehen, ansonsten siehst du mich als Feind. Das hast du mir so auch gesagt, als du mich in London angerufen hast. Wer nicht für mich ist, ist gegen mich – das waren deine Worte!«
»Ja, das habe ich dir gesagt, und ich stehe noch immer dazu, Justine!«
»Siehst du, Will, das habe ich mir gedacht. Irgendwann würdest du zuschlagen und versuchen, mich zu vernichten. Also habe ich mich entschlossen, Will: Ich handle, bevor du handelst und ich den Kürzeren ziehe!«
»Und wie soll das aussehen, Justine? Was willst du wirklich?«
»Was ich will? Ich will – die Macht!« Sie lachte schallend. »Ja, Will, ich bin diejenige, die die Herrschaft übernehmen wird. Deine Zeit ist abgelaufen, Will.«
Er hatte alles gehört. Allein ihm fehlte der Glaube. Er stierte sie an, schüttelte dabei den Kopf und fing heftig an zu lachen. »Nein, das ist nicht drin. Das glaube ich dir nicht, Justine. Du schaffst es nicht. Du bist gar nicht in der Lage, meine Position zu übernehmen, verflucht noch mal. Du nicht!«
»Wenn du dich da mal nicht täuschst.«
Er kam näher. Seine beiden Hände umklammerten jetzt die Stäbe von innen. »Und was ist mit Assunga? Glaubst du, dass die Schattenhexe das so einfach zulässt?«
»Sie hat mir bei meinem Plan zur Seite gestanden. Ohne sie wäre das alles nicht passiert.«
Mallmann musste laut lachen. »Und du glaubst ihr? Du glaubst, dass sie auf deiner Seite steht?«
»Ja, das tue ich.«
»Aber ich nicht. Ich kann ihr nicht glauben. Ich kenne sie besser, verdammt noch mal. Außerdem muss sie doch verdammt sauer auf dich sein, weil du dich damals eingemischt und mich gerettet hast.«
»Das war sie, aber inzwischen hat sie mir verziehen, denn wir beide – Assunga und ich – sind jetzt das perfekte Team. Sie will dich aus dem Weg haben, und das will ich endlich auch. Du bist ein Störenfried, und Assunga braucht eine Welt, in die sie ausweichen kann, und da kommt ihr diese sehr gelegen. Freiwillig hättest du sie ihr niemals gegeben. So aber sieht es anders aus.«
Dracula II war sprachlos. Er konnte es nicht fassen und flüsterte:
»Du stehst also voll und ganz auf ihrer Seite?«
»Sicher. Sie mag mich.«
»Das glaube ich nicht!« Er trat hart mit dem rechten Fuß auf. »Das kann ich nicht glauben. Sie kann dich zudem nicht mögen, denn ich erinnere mich, dass du auch das Blut ihrer Verbündeten getrunken hast. Hexenblut, um genau zu sein.«
»Ja, das trifft zu«, erklärte Justine gelassen. »Und ich will ehrlich sein: Es hat mir auch gemundet. Aber Assunga hatte nichts dagegen. Sie hatte mir die Hexe geschenkt, denn sie war eine Verräterin, wollte sich von Assunga lossagen und zurückkehren in die normale Welt. Dafür wurde sie bestraft, ich war sozusagen Assungas Werkzeug. Und ich wollte die untote Vampirhexe auch benutzen, um John Sinclair neugierig zu machen und ihn hierher, in die Vampirwelt zu locken, damit er beim großen Finale mit dabei ist.«
Dracula II sagte nichts mehr. Allmählich begriff er wohl, in welch einer Lage er sich befand. Er war mit allen Wassern gewaschen. Er war eine Person, die sich bisher für unbesiegbar gehalten hatte, und musste jetzt feststellen, dass man ihn mit einfachsten Mitteln schachmatt gesetzt hatte.
Hinter den Stäben malte sich sein Gesicht ab. Die Augen schienen zu glühen, doch das lag am schwachen Widerschein des Feuers, der auch bis zum Käfig reichte. Der Mund stand offen. Die Zähne wuchsen wie zwei Lanzenstücke aus dem Oberkiefer hervor, und in der Kehle entstand ein bedrohliches Knurren.
»Wie soll es weitergehen?«, flüsterte er. »Was hast du vor? Du bist ohne mich schwach, und die Collins als auch Sinclair kannst du vergessen. Es sind nicht deine Freunde.«
»Das weiß ich.« Justine stellte sich lässig hin, die rechte Hand in die Seite gestützt. »Aber ich werde dir sagen, wie es weitergeht. Allein mit deiner Vernichtung. Du wirst ihr nicht entgehen, das kannst du mir glauben. Du hast mich bedrängt, du hast mir gedroht, und das war dein großer Fehler. Dein Schicksal, Mallmann, ist besiegelt. Erst der Schwarze Tod, jetzt du. Die Zeiten ändern sich, du wirst es nicht aufhalten können, und du wirst in dieser Welt sterben, an einem Ort, dem du doch so verbunden
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