1399 - Ich, der Henker
eigentliche Sagen hier hat. Du erkennst mich als deinen Herrn und Meister an, obwohl du…«
»Halt dein Maul, Mallmann! Natürlich könnte ich dich töten, aber das Vergnügen möchte ich einem anderen überlassen, bei dem du schon länger auf der Liste stehst. Er soll dein Henker sein, Mallmann. Nur er! Errätst du, wen ich meine?«
Dracula II war plötzlich still. Aber nicht bewegungsunfähig, denn er schüttelte den Kopf und sagte schließlich: »Nein, das ist nicht dein Ernst. Du meinst nicht etwa John Sinclair?«
»Doch«, erwiderte Justine Cavallo fast sanft. »Den meine ich. Er wird dein Henker sein…«
***
Genau diese Antwort hatten auch wir verstanden, und sie machte uns zunächst starr.
Bis Jane Collins sich regte und mir ihr Gesicht zudrehte. »Nein, John, nein – oder…?«
»Es ist gesagt worden«, flüsterte ich zurück.
»Und? Willst du es tun?«
Ich stand noch immer unter dem Eindruck des Gehörten und wusste nicht so recht, wie ich mich verhalten sollte. Er war ja nicht leicht, aber ich begriff allmählich die Zusammenhänge. Jetzt wusste ich, warum mich Assunga gezwungen hatte, das Schwert des Salomo mitzunehmen, und ich hatte plötzlich das Gefühl, in einem Eispanzer zu stecken.
Mein Gott, in der letzten Zeit überschlugen sich die Ereignisse. Ich hatte eine Halbschwester von mir erlebt, ich war in Rumänien gewesen, um Mallmann zu jagen, und jetzt hatte man mich in diese verdammte Vampirwelt geschafft, um hier einen weiteren meiner großen Todfeinde auszuschalten, wie es mir vor einiger Zeit mit dem Schwarzen Tod gelungen war.
»Träumst du, John?«
»Leider nicht.«
»Dann sollten wir gehen. Es hat keinen Sinn, wenn wir uns verstecken. Es läuft leider alles so, wie es die andere Seite will. Daran kannst du nichts ändern.«
»Ja, allmählich gebe ich dir Recht.«
Ich sah die beiden vor mir. Mallmann im Käfig, die Cavallo davor stehend.
Dem Supervampir hatte es die Sprache verschlagen. In diesen Momenten war er nicht in der Lage, etwas zu sagen. Er wirkte auf mich angeschlagen.
Ich wusste, dass ich an einer Entscheidung nicht vorbeikam, und wollte sie so schnell wie möglich durchziehen. Deshalb gaben wir das Versteckspiel auf und näherten uns dem Ort des Geschehens.
Mallmann sah uns zuerst, und sein Körper spannte sich.
Das blieb Justine Cavallo nicht verborgen. Sie drehte sich, sah uns und streckte mir ihren rechten Arm entgegen. Die Botschaft allerdings galt Mallmann.
»Dort kommt dein Henker, Will…«
War ich das wirklich? Wollte ich das überhaupt?
Ich ging weiter und beschäftigte mich mit diesen Gedanken. Dann schaute ich Justin Cavallo an. In ihrem Gesicht malte sich der Triumph ab.
Es war ihre Stunde! Darauf musste sie lange, sehr lange gewartet haben, aber begreifen konnte ich es immer noch nicht. Sie hatte Mallmann damals vor dem Scheiterhaufen gerettet. Wäre sie nicht gewesen, hätte sie nicht eingegriffen damals – es hätte Mallmann längst nicht mehr gegeben.
Das Schwert an meiner Seite kam mir doppelt so schwer vor. Ich hatte wirklich daran zu schleppen und hörte hinter mir Jane Collins heftig atmen.
Sie sprach auch leise und zischelnd, wobei sie versuchte, mir Mut zu machen.
»John, das schaffen wir! Das bringen wir hinter uns. Du brauchst keine Sorgen zu haben.«
Ich gab ihr keine Antwort, denn ich hatte Justine erreicht und blieb stehen. Einen Blick in den Käfig sparte ich mir. Im Moment interessierte nur sie mich.
»Was habe ich da gehört?«
Sie streckte ihr Kinn vor. Dabei zeigte sie ihre beiden scharfen Zähne. »Freu dich, John!«
»Worauf?«
»Ah, hör auf. Spiel mir nichts vor. Das ist deine Stunde, John. Darauf hast du gewartet. Du bist doch sein Feind – oder?«
»Das kann man sagen.«
»Wunderbar, und ich habe dafür gesorgt, dass du ihn endlich vernichten kannst.«
»Nur du?«
Sie lachte kichernd. »Natürlich nicht. Ich habe Assunga an meiner Seite. Sie will Mallmann auch loswerden, was ich durchaus begreifen kann. Er passt nicht mehr zu uns. Er ist ein Störfaktor, und was er nicht freiwillig abgeben will, das holen wir uns. Du aber bekommst die Chance, ihn endgültig aus der Welt zu schaffen, denn du bist sein Henker, John Sinclair.«
Ja, das hatte ich schon mal gehört. Und es gefiel mir verdammt noch mal nicht. Ich wollte kein Henker sein. Ich bin kein Mensch, der einen Wehrlosen tötet, und das war Will Mallmann in diesem Fall.
Er stand hinter dem Gitter. Er schaute uns an. Das D auf seiner Stirn leuchtete. Die
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