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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wollte. Dieser Fanatismus, welcher so leicht zu blutigen Ausschreitungen führt, ist selbst heute noch ganz derselbe wie im Jahre 1860, in welchem Tausende Christen niedergemetzelt wurden.
    Die fürchterlichen Vorspiele dazu begannen zu Hasbeya, am Westabhang des Hermon, zu Deïr el Kamr, südlich von Beirut, und die in der Küstenstadt Saïda. In Damaskus hatte am 9. Juli des genannten Jahres der Muezzin um die Mittagsstunde eben zu Gebet gerufen, als sich der bewaffnete Pöbel, von Baschi-Bozuks angeführt, auf das Christenviertel stürzte. Jeder Mann und Knabe wurde erschlagen; mit den Frauen und Mädchen geschah teils schlimmeres, teils wurden sie nach dem Sklavenmarkt geführt. Der Gouverneur Achmet Pascha sah ruhig zu; aber ein anderer nahm sich der Christen an, einer, welcher sein Leben lang gegen dieselben gekämpft hatte. Es war Abd el Kader, der algierische Beduinenheld, welcher sein Vaterland verlassen hatte, um in Damaskus Vergessenheit zu suchen. Er öffnete den Christen, welche bei ihm Schutz suchten, sein Haus und streifte mit seinen Algierern durch die Stadt, um die Flüchtenden in der alten Zitadelle unterzubringen. Als er ungefähr zehntausend Christen dorthin gerettet hatte, wollten die Mordbanden mit Gewalt eindringen; er aber sprengte in Helm und Küraß mitten unter sie hinein und gebot den Seinen, beim geringsten Zeichen eines Angriffes auf die Zitadelle ganz Damaskus an allen Ecken anzubrennen. Das half. Diesen Edelmut zeigte ein Mann, welcher nach dem Frieden von Kerbens volle fünf Jahre lang von den Franzosen widerrechtlicher Weise gefangen gehalten worden war.
    Von Damaskus aus geht die große Karawanenstraße nach Mekka, welches man in 45 Tagen erreicht. Nach Bagdad gelangen Karawanen in 30 bis 40 Tagen, der Postkurier aber reitet per Dromedar nur 12 Tage. Doch ist die Benutzung dieser Verbindung etwas teuer, denn man hat von Bagdad per Kurier nach Stambul für einen Brief 28 Mark, für ein rekommandiertes Schreiben aber sogar 50 Mark bezahlen müssen.
    Auch ich war von Bagdad nach Damaskus gekommen, hatte aber nicht die Straße eingeschlagen, auf welcher der Kurier reitet. Und das hatte seine guten Gründe.
    Nach den zuletzt erzählten Ereignissen hatten wir noch sechs Tage an dem Bach liegen müssen, bis Halef so weit gekräftigt war, daß wir nach Bagdad zurückkehren konnten. Vorher aber hatten wir nochmals mit allem Fleiß und der größten Sorgfalt am Kanal Anana nach Lindsay oder Spuren von ihm gesucht, ohne das mindeste gefunden zu haben. Nach Bagdad gekommen, erfuhren wir von unserm Wirt, daß er weder den Engländer gesehen noch etwas von ihm gehört habe, und so sah ich mich veranlaßt, bei der Vertretung Englands Anzeige zu erstatten. Es wurden mir die schleunigsten Recherchen versprochen, welche aber ohne alles Resultat zu bleiben schienen, so daß ich endlich aufzubrechen beschloß.
    Pekuniäre Schwierigkeiten stellten sich diesem Entschluß nicht entgegen, denn ich hatte in den Ruinen des Belusturmes – ein sehr reichliches Reisegeld gefunden, allerdings nicht etwa durch Nachgrabungen in dem Trümmerschutt, sondern auf eine andere Weise und an einem Ort, wo ich mir nichts weniger als den bösen und doch so notwendigen Mammon anwesend gedacht hatte.
    Als nämlich eines Tages mein Halef am Bach im tiefen Schlaf der Entkräftung lag und ich mir die Schwierigkeit unserer Lage recht eingehend überdachte, fielen mir die Worte Marah Durimehs ein, welche sie gesprochen hatte, als sie mir beim Abschied das Amulett übergab: „Es hilft nichts, so lange es geschlossen ist; aber wenn du einmal eines Retters bedarfst, so öffne es; der Ruh 'i Kulyan wird dir dann beistehen, auch wenn er nicht an deiner Seite ist.“ Ich dachte natürlich gar nicht daran, von dem Amulett etwas Hilfespendendes zu erwarten; es hatte so lange Zeit an meinem Hals gehangen, ohne daß es weiter von mir beachtet worden war; jetzt aber verspürte ich aus Langeweile einige Neugierde, seinen Inhalt kennenzulernen. Ich knüpfte es ab, zerschnitt seine äußere Hülle und kam nun an ein zusammengelegtes Pergament, welches – zwei Noten der englischen Bank enthielt. Ich gestehe gern, daß mein Gesicht in diesem Augenblick einigermaßen einen fremdartigen, keinesfalls aber unangenehmen Ausdruck angenommen haben mag. Bei einem solchen Inhalt hatte die alte Marah Durimeh allerdings recht gehabt: „Es hilft nicht, so lange es geschlossen ist.“ Wie aber war sie, die reiche Königstochter, zu englischem Geld

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