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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Spenderin aller Freuden und du Feindin alles Kummers!“ So begrüßt der Wanderer Damaskus, wenn er droben am Kubbet en Nassr steht, deren Moschee sich wie eine weit in das Land hinaus schauende Warte auf dem Dschebel Es Salehiëh erhebt.
    Diese Kuppe Es Salehiëh bietet unbestreitbar einen der herrlichsten Aussichtspunkte der Erde. Im Rücken liegen die malerischen Berge des Antilibanon, deren Mauern sich hoch gen Himmel erheben, und vor dem Blick breitet sich die von der Natur zum Paradies geschaffene und von dem Moslem hochgepriesene Ebene von Damaskus aus. Zunächst dem Gebirge liegt El Ghuta, die meilenweite, mit Fruchtbäumen und den herrlichsten Blumen dicht besetzte Ebene, bewässert und erquickt durch acht Flüßchen und Bäche, von denen sieben Zweige des Flusses Barrada sind. Und hinter diesem Gartenring erglänzt die Stadt, von den Arabern ‚Schamm‘ genannt, wie eine Wahrheit gewordene Fata Morgana des sich nach Labung und Erquickung sehnenden Wüstenpilgers.
    Hier steht der Wanderer auf einem geschichtlich hochwichtigen Boden, auf welchem auch die Sage ihre silberschimmernden Blüten getrieben hat. Gegen Norden liegt der Dschebel Kassium, auf welchem nach der morgenländischen Erzählung einst Kain seinen Bruder Abel erschlug. In El Ghuta stand nach der arabischen Legende der Baum der Erkenntnisse, unter welchem die erste Sünde geschah, und in Damaskus selbst erhebt sich die berühmte Moschee der Ommijaden, auf deren Minareh sich Christus am Tage des Gerichtes niederlassen wird, um zu richten die Lebendigen und die Toten. So also wird die Geschichte von Damaskus wie die keiner anderen Stadt vom Anfang der Erde bis zu dem Ende derselben reichen, wie der stolze und fanatische Bewohner der ‚Stadt am Barrada‘ behauptet.
    Allerdings ist Damaskus eine der ältesten Städte der Erde, aber die Zeit ihrer Gründung ist nicht genau zu bestimmen, da die moslemitische Geschichtsschreibung die Fäden der Tradition eher verwirrt als entwickelt hat. Die heilige Schrift erwähnt Damask zum öfteren. Zu jener Zeit wurde es auch Aram Damasek genannt. David eroberte es und zählte es zu den glänzendsten Perlen seiner Krone. Nachher herrschten hier Assyrer, Babylonier, Perser, die Seleuciden, Römer und Araber. Als Saulus zum Paulus wurde, stand sie unter dem Zepter der Araber. „Stehe auf, und gehe in die Gasse, welche die gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Namen Saulus aus Tarsus; denn siehe, er betet!“ So sprach der Herr im Gesichte zu Ananias (Apostelgeschichte 9,11). Und noch heute steht jene Gasse. Sie geht vom Bab esch Scherki im Osten nach dem Bab el Yahya im Westen, bildet die große Verkehrsader der Stadt und wird noch immer Suk ed Dschamak, die gerade Straße, genannt.
    Eine Viertelstunde von der Stadt entfernt sieht man in der Nähe des christlichen Friedhofes eine Felsenplatte an der Stelle, wo Saul von Klarheit des Himmels umleuchtet wurde und eine Stimme ihm zurief: „Ich bin Jesus, den du verfolgest; hart wird es dir, wider den Stachel zu lecken!“ (Apostelgeschichte 9,5).
    An der Porta orientalis, einem schönen, altrömischen Tor mit drei Eingängen, steht das Haus des Ananias, durch den Paulus wieder sehend ward. Auch zeigt man neben einem vermauerten Tor das Fenster, aus welchem der Apostel in einem Korb (Ebendaselbst Kap. 9,25) hinunter gelassen wurde.
    Oft, sehr oft wurde Damaskus erobert und in Trümmer gelegt, aber immer erhob es sich wieder mit neuer Lebensfähigkeit. Am meisten litt es unter Tamarlan, welcher im Jahre 1400 seine wilden Scharen zehn Tage lang in den Straßen morden ließ; als darauf die Stille des Todes herrschte, hielt der Brand die Nachlese. Unter osmanischer Herrschaft hat die Stadt nach und nach immer mehr ihre Bedeutung verloren. Aus der ehemaligen Weltstadt wurde eine Provinzialstadt, der Sitz eines Gouverneur-Pascha, und jedermann weiß ja, daß diese Art von Administratoren nur geeignet ist, das reichste Land der Erde arm und durch endlosen Steuerdruck den ergiebigsten Volkswohlstand bankrott zu machen.
    Heute spricht man von 200.000 Einwohnern, welche Damaskus besitzen soll; die Zahl 50.000 wird aber der Wahrheit näher liegen. Darunter sind etwas über 30.000 Christen und 3.000 bis 5.000 Juden. Kein Moslem, selbst der Mekkaner nicht, ist so fanatisch wie der Damaskese. Die Zeit ist noch nicht lange vorüber, in welcher ein Christ kein Kamel und kein Pferd besteigen durfte; er mußte zu Fuß gehen, wenn er nicht auf einem Esel reiten

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