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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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einem Kugelknopf endet. Das dritte oder Isa-Minareh hat neben seinem viereckigen Turm noch einen schlanken Turm im türkischen Stil mit Spitzdach und zwei Rundbalkonen für den Muezzin (Ausrufer, welcher die Gebetzeit von den Minarehs herab verkündigt). Auf dem höheren dieser Balkone wird Christus stehen, wenn er am Ende der Tage die Guten und die Bösen voneinander scheidet.
    Ganz in der Nähe dieser Moschee, auf der ‚geraden Straße‘, lag die Wohnung meines Reisegefährten. Der Eingang zu derselben befand sich in einem engen Seitengäßchen, in welches ich mit ihm einbog, da es mir unmöglich war, seine Gastfreundlichkeit zurückzuweisen. Wir hielten vor einer hohen Backsteinmauer, in welcher sich außer dem nicht sehr hohen und breiten Tor keine einzige Öffnung befand. Der Kaufmann stieg ab, hob einen Stein vom Boden auf und klopfte damit kräftig an die Tür. In kurzer Zeit wurde dieselbe von innen geöffnet, und ein wie Ebenholz glänzendes Mohrengesicht erschien in der Öffnung.
    „Allah, der Herr!“ rief der Neger und riß das Tor so weit wie möglich auf.
    Der Kaufmann antwortete ihm gar nicht und winkte uns nur, ihm zu folgen. Ich tat es mit Halef, nachdem ich den Irländern bedeutet hatte, die Tiere hereinzuziehen und bei ihnen zu bleiben.
    Wir befanden uns in einem langen, schmalen Hofraum und vor einer zweiten Mauer, deren Tür bereits offen stand. Als wir dieselbe hinter uns hatten, sah ich vor mir einen großen, quadratischen Platz, welcher durchgehend mit Marmor gepflastert war. Von drei Seiten öffneten sich auf ihn laubenartige Arkaden, deren Öffnungen von den in Kübeln gezogenen Zitronen, Orangen, Granaten und Feigen maskiert wurden. Die vierte Seite, von der Mauer gebildet, durch welche wir soeben getreten waren, war ganz von Jasmin, Damaszenerrosen und rotweiß geflammten syrischen Hibisch überzogen. Die Mitte des Platzes nahm ein granitenes Bassin ein, in dessen Wasser sich gold- und silberglänzende Fische tummelten, und an jeder Ecke befand sich ein fließender Brunnen, um dieses Bassin zu speisen. Über den Arkaden zog sich ein bunt bemaltes Stockwerk hin, zu welchem eine breite, mit duftenden Blumen reich geschmückte Treppe emporführte; es enthielt viele Gemächer und andere Räume, deren Fensteröffnungen teils mit seidenen Vorhängen, teils durch ein kunstvolles, hölzernes Gitterwerk verschlossen waren.
    Eine Gruppe von Frauen ruhte auf weichen Polstern am Bassin. Bei unserm Anblick erhoben sie ein angstvolles Gekreisch und eilten schleunigst der Treppe zu, um in den Gemächern zu verschwinden. Nur eine einzige Gestalt war nicht entflohen. Auch sie hatte sich erhoben, kam aber auf den Kaufmann zu und küßte ihm mit Ehrerbietung die Hand.
    „Allah altunlama senin gelme, baba – Allah vergolde dein Kommen, mein Vater!“ grüßte sie.
    Er drückte sie herzlich an sich und sagte:
    „Geh zur Mutter und sage ihr, daß Gott mein Haus mit teuren Gästen segnet. Ich werde sie in das Selamlik führen und dann zu euch kommen.“
    Auch er sprach, wie seine Tochter, türkisch. Vielleicht war Stambul sein früherer Aufenthalt gewesen.
    Die Tochter entfernte sich, und wir folgten ihr langsam die Treppe empor, wo wir in einen Gang kamen, der eine lange Reihe von Türen zeigte. Der Hausherr öffnete eine derselben, und wir traten in ein großes Zimmer, das durch ein durchbrochenes Kuppeldach, dessen Öffnungen mit vielfarbigem Glas bedeckt waren, ein köstliches Licht empfing. Hohe, breite Sammetpolster zogen sich an den Wänden hin; in einer Nische tickte eine französische Pendule ihre monotonen Schläge; von der Kuppel hing ein vielarmiger, vergoldeter Leuchter herab, und zwischen den seidenen Draperien, welche die Wände verdeckten, blickten aus kostbaren Rahmen zahlreiche Bilder auf uns nieder. Es waren – man denke sich mein Erstaunen – die rohesten Farbenklexereien, mit denen leider noch heute eine schmutzige Kolportage-Spekulation die Welt beglückt: Napoleon im Kaiserornate, aber mit dicken, zinnoberrot gemalten Posaunenengelbacken; Friedrich der Große mit einem dünnen Henriquatre; Washington in einer ungeheuren Allongeperücke; Lady Stanhope mit Schönpflästerchen; die Seeschlacht bei Tschesme mit holländischen Torfkähnen; ein Riesenbouquet mit roten Helianthus, gelben Kornblumen und blauen Schneeglöckchen; ein Herkules Korynephoros, mit dem Lindwurm des heiligen Georg zwischen den Beinen, und endlich gar die Erstürmung von Sagunt, aus dessen Schießscharten

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