14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Kanonenläufe schauten und über dessen eingeschlossenen Mauern sich ein dichter, violetter Pulverdampf lagerte. Solche Kunstungeheuerlichkeiten können eben nur für den – Orient bestimmt sein.
Vor den Polstern standen kleine niedere Tischchen mit Metallplatte, bereits mit gestopften Pfeifen und kleinen Kaffeetäßchen versehen; in der Mitte des Raumes aber stand – ich wagte es kaum zu glauben, aber meine Augen konnten mich doch unmöglich täuschen – ein Pianoforte, wirklich und wahrhaftig ein Pianoforte, mit vielfach abgesprungener Furnierung zwar, aber sonst in einem noch ganz leidlichen Zustand, wie es schien. Ich hätte es am liebsten sofort öffnen mögen, mußte jedoch die Würde bewahren, welche ich dem Emir Kara Ben Nemsi schuldete.
Wir waren kaum eingetreten und hatten uns gesetzt, so erschien ein hübscher Knabe mit einem Becken voll glühender Holzkohle, um die Pfeifen in Brand zu stecken, und nur wenige Minuten darauf ein zweiter mit einem silbernen Kahwetest (Kaffeekanne), aus dem er uns die Tassen füllte. Bei dem ersten Zug, den der Hausherr aus seiner Pfeife tat, hieß er uns von neuem willkommen, und als er den sehr kleinen Kopf nach wenigen Augenblicken ausgeraucht hatte, bat er uns um die Erlaubnis, sich für kurze Zeit entfernen zu dürfen, um die Seinen zu begrüßen.
Wir rauchten und tranken schweigend fort, bis er zurückkehrte und uns aufforderte, ihm zu folgen. Er führte uns in ein nach morgenländischen Begriffen sehr reich ausgestattetes Zimmer, das ich bewohnen sollte, während unmittelbar daneben dasjenige lag, das für Halef bestimmt war. Auch für die Irländer versprach er zu sorgen. Darauf mußten wir ihm die Treppe hinab in das Parterre folgen. Dort war uns bereits mit unbegreiflicher Schnelligkeit ein Bad bereitet worden, und da fanden wir auch zwei Anzüge liegen, vom roten Fez bis zum leichten Pabutsch herab, welche wir gegen unsere jetzigen vertauschen sollten. Zwei Diener erwarteten uns, um uns zu bedienen.
Das war eine wirklich morgenländische Gastfreundlichkeit, deren Wert ich dankbar erkennen mußte. Als wir dem Bad entstiegen waren und uns umgekleidet hatten, kehrten wir als vollständig neue Menschen nach dem Selamlik zurück. Der aufmerksame Wirt hatte unsere Rückkehr jedenfalls beobachten lassen, denn kaum daß wir eingetreten waren, so stellte auch er sich wieder bei uns ein.
„Herr, du hast große Freude gebracht über die Meinen“, sagte er, mich, da er arabisch sprach, wieder du nennend. „Als ich ihnen sagte, wer du bist, haben sie begehrt, heute vor dir erscheinen zu dürfen. Wirst du es ihnen erlauben?“
„Gern, denn es wird mich sehr beglücken, mit ihnen sprechen zu können.“
„Sie werden erst am Nachmittag kommen, denn jetzt sind sie beschäftigt, das Mahl zu bereiten, dessen Zurichtung sie heut keiner Dienerin überlassen wollen. Hast du bereits solche Bilder gesehen?“ fragte er dann, als er sah, daß mein Auge zufällig den Herkules musterte.
„Sie sind sehr selten“, antwortete ich zweideutig.
„Ja. Ich habe sie in Stambul gekauft und einen sehr hohen Preis bezahlt. Kein Mann in Damaskus hat solche kostbaren Gemälde. Weißt du auch, was sie vorstellen?“
„Ich möchte es beinahe bezweifeln!“
„Ich habe es mir erklären lassen. Das erste ist der Sultan el Kebir (Napoleon) und das zweite der kluge Emir der Nemsi; dann kommt die Königin von England (Er meinte Lady Stanhope) mit dem Schah der Amerikaner; neben den Blumen ist ein Held (Herkules) aus Diarbekir, der einen Seehund tötet, daneben die Schlacht bei Tschesme und dann die Erstürmung von Jerusalem (er meinte Sagunt) durch die Christen. Ist das nicht schön?“
„Außerordentlich! Aber was steht hier in der Mitte dieses Zimmers?“
„O, das ist das Kostbarste, was ich besitze. Es ist ein Tschalghy (wörtlich: Musik), das ich von einem Engländer kaufte, der hier wohnte und dann weiter zog. Darf ich es dir zeigen?“
„Ich bitte dich darum!“
Wir traten hinzu und öffneten. Über den Tasten stand ‚Edward Southey, Leadenhallstreet, London‘ zu lesen, und ein Blick in das Innere des Instrumentes zeigte mir, daß zwar einige Saiten gesprungen seien, sonst aber alles sich noch in leidlichem Zustand befinde.
„Ich werde dir zeigen, wie man es macht.“
Mit diesen Worten begann der Mann ein Faust-Attentat auf die Tasten, welches mir die Haare zu Berge trieb; ich aber zwang mich zu einer bewundernden Miene und erkundigte mich dann, ob sonst weiter nichts
Weitere Kostenlose Bücher