14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
zuckten vor Überraschung zusammen, schrien vor Erstaunen laut auf und streckten unbedachter Weise die Hände aus, so daß sich die Schleier öffneten und ich für einen Augenblick sämtliche Gesichter zu sehen bekam.
Nach einem kurzen Präludieren ließ ich meinen ‚feschesten‘ Walzer los. Mein Publikum saß zunächst ganz starr; bald aber begann der Rhythmus seine unwiderstehliche Wirkung zu äußern. Es kam Bewegung in die steifen Gestalten: die Hände zuckten, die Beine empörten sich gegen ihre orientalisch eingebogene Lage, und die Körper begannen, sich nach dem Takt hin und her zu wiegen. Der Wirt aber erhob sich und trat hinter mich, um mit aufgerissenen Augen meine Finger zu beobachten.
Als ich geendet hatte, faßte er meine Hände und betrachtete sie. „O Herr, was hast du für Finger! Das ging ja wie in einem Karingdschalyk! (Ameisenhaufen) So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen!“
„Sihdi“, meinte Halef, „solche Musik gibt es nur noch in El Dschennet, wo die Geister der Seligen wohnen. Allah il Allah!“
Die Frauen wagten es nicht, ihre Gefühle in Worten laut werden zu lassen; doch ihre lebhafte Bewegung und der anerkennende Ton ihres Geflüsters überzeugten mich, daß sie sich nichts weniger als gelangweilt hatten.
Ich spielte weiter, ein ganzes, stundenlanges Programm herunter, und mein Publikum wurde nicht müde, den noch nie gehörten Klängen zu lauschen.
„Herr, ich habe nie gewußt, daß in diesem Tschalghy solche Stücke stecken“, meinte der Hausherr, als ich ausruhte.
„Oh, es stecken noch viel herrlichere darinnen“, antwortete ich; „man muß es nur verstehen, sie hervorzulocken. Bei uns im Abendland gibt es Tausende von Männern und Frauen, welche dies noch zehnmal besser können, als ich.“
„Auch Frauen?“ fragte er verwundert.
„Ja.“
„So soll auch mein Weib lernen, auf dem Tschalghy Musik zu machen, und sie muß es dann den Töchtern zeigen.“
Der gute Mann hatte keine Ahnung von den Schwierigkeiten, die sich diesem so rasch gefaßten Entschluß hier in Damaskus entgegenstellten; ich hielt es nicht notwendig, ihn aufzuklären, und fragte: „Man kann zu dieser Musik auch tanzen; hast du einmal einen abendländischen Tanz gesehen?“
„Niemals.“
„So schicke einmal nach unsern beiden Begleitern. Sie sollen sofort kommen.“
„Diese! Sollen etwa sie tanzen?“
„Ja.“
„Sie? Als Männer!“
„Die Sitte des Abendlandes erlaubt es, daß auch Männer tanzen, und du wirst sehen, wie hübsch das ist.“
Ein allgemeines „Peh peh!“ der Erwartung tönte durch das Zimmer, als einer der Knaben den Raum verließ, um die Irländer zu holen.
„Könnt ihr tanzen?“ fragte ich sie, als sie eintraten.
Auch sie hatten bequeme Hauskleidung angelegt und sahen so neugewaschen aus, daß sie sicher auch im Bad gewesen waren. Sie stießen sich freundschaftlich mit den Ellbogen und machten die Augen weit auf, als sie das Instrument erblickten.
„Heigh-day, a music chest – heisa, ein Musikkasten!“ lachte Bill mit breitem Gesicht. „Tanzen? Natürlich können wir tanzen! Sollen wir?“
„Ja.“
„In diesen Kleidern?“
„Warum nicht?“
„Well, so ziehen wir die Pantoffel aus und tanzen barfuß.“
„Welche Tänze könnt ihr?“
„Alle! Reel, Hornpipe, Hochländer, Stamp-man, Polka, Galopp, Walzer, kurz alles, was verlangt wird. Man hat das ganz gut gelernt!“
„Na, so schiebt die Teppiche zusammen und legt einmal los; einen Hochländer!“
Die beiden kräftigen Söhne Irlands zeigten sich unermüdlich, und das beifällige Lachen der Frauen ermunterte sie zu immer neuen Leistungen. Ich glaube, diese Damaskeserinnen hätten am liebsten sich mitbeteiligt. Aber endlich glaubte ich, daß des Guten jetzt genug geschehen sei. Die Damen entfernten sich mit herzlichem Dank, und auch der Wirt erklärte, daß er nach so langer Abwesenheit sich nun in seinem Geschäft umsehen müsse. Ich sagte ihm, daß ich unterdessen mit Halef ausgehen werden, um die Stadt einmal in Augenschein zu nehmen, und sofort befahl er, daß man zwei Esel für uns sattele und daß ein Diener uns begleiten solle. Zugleich bat er uns, nicht zu spät heimzukehren, weil uns am Abend einige seiner Freunde erwarten würden.
Im Hof fanden wir zwei weiße Bagdader Esel für uns und einen grauen für den Diener, welcher sich mit Tabak und Pfeifen reichlich versehen hatte. Wir brannten an, stiegen auf, verließen das Haus und lenkten durch die Seitengasse
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