14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Anwesenden ein Wort verstand, von der Gitarristin zu Ende gesungen worden, und als sich trotzdem reicher Beifall vernehmen ließ, gab sie noch einen Dakapovers zum besten und ging dann mit dem bekannten Notenblatt einkassieren. Ich wurde dabei rücksichtsvoll übersehen, da wir eben erst gekommen waren.
Das nächste Musikstück war ein ‚Lied ohne Worte‘, nach welchem der eine Violinist hinter einem Vorhang verschwand. Nach kurzer Zeit begann ein Präludium, und der Violinist kehrte zurück als – deutscher Handwerksbursche mit Ziegenhainer, zerrissenen Stiefeln, eingetriebenem Hut und dem unvermeidlichen ‚Berliner‘ auf dem Rücken. Im rauhesten Bierbasse intonierte er:
„Wenn ich mich nach der der Heimat sehn',
Wenn mir im Aug' die Tränen stehn,
Wenn's Herz mich drückt halt gar so sehr,
Dann fühl ich's Alter um so mehr.
Und 's wird nur leichter mir ums Herz,
Fühl' weniger den stillen Schmerz,
Wenn ich so off der Straße steh
Und mir mein kleenes Geld beseh.“
Das war der ‚Stoffel in der Fremde‘ wie er leibte und lebte. Und obgleich das Publikum weder einen Begriff von einem deutschen Handwerksburschen hatte, noch ein Wort des Vortrages verstand, wurde der Komiker doch mit einem sehr dankbaren Applaus belohnt.
Das waren jedenfalls Presnitzer Leute, und um die Universalität dieser Leute auf die Probe zu stellen, fragte ich die Sängerin:
„Türkü tschaghyr-sen ne schekel – in welcher Sprache singest du?“
„Türkü tschaghyr-im nemtschedsche – ich singe deutsch“, antwortete sie.
„You are consequently a German Lady – Sie sind folglich eine deutsche Dame?“
„My native country is German Austria – Meine Heimat ist Deutsch-Österreich.“
„Et comme s'appelle votre ville natale – und wie heißt Ihre Vaterstadt?“
„Elle est nommée Presnitz, situé au nord dé la Bohème – sie heißt Presnitz, welches in Nord-Böhmen liegt.“
„Ah, nicht weit von der sächsischen Grenze, nahe von Jöhstadt und Annaberg?“
„Richtig?“ rief sie. „Hurrjeh, Sie reden auch deutsch?“
„Wie Sie hören!“
„Hier in Damaskus?“
„Überall!“
Da nahmen auch ihre Kollegen teil; die Freude, hier einen Deutschen zu treffen, war allgemein, und die Folge davon waren einerseits von mir einige Gläser Scherbet und andererseits von Ihnen die Bitte, mein Lieblingslied zu nennen; sie wollten es singen. Ich bezeichnete es ihnen, und sofort begannen sie:
„Wenn sich zwei Herzen scheiden,
Die sich dereinst geliebt,
Das ist ein großes Leiden,
Wie's größer keines gibt.“
Ich freute mich, wieder einmal dem Orgelklang dieser prächtigen Melodie lauschen zu können; da gab mir Halef einen Stoß und winkte nach dem Eingang hin. Mein Auge folgte der angegebenen Richtung und erblickte einen Mann, von dem wir während der letzten Tage so oft gesprochen hatten, und den ich hier wohl nicht zu finden geglaubt hatte. Diese schönen, feinen, aber in ihrer Disharmonie so unangenehmen Züge, dieses forschend scharfe, stechende Auge mit dem kalten, durchbohrenden Blick, diese dunklen Schatten, welche Haß, Liebe, Rache und unbefriedigter Ehrgeiz über das Gesicht geworfen hatten, sie waren mir zu bekannt, als daß mich der dichte Vollbart, welchen der Mann jetzt trug, hätte täuschen können. Es war Dawuhd Arafim, welcher sich in seinem Haus am Nil Abrahim Mamur hatte nennen lassen!
Er musterte die Anwesenden, und ich konnte es nicht verhindern, daß sein Blick auch auf mich fiel. Ich sah ihn zusammenzucken, dann drehte er sich schnell um und verließ mit einigen hastigen Schritten das Zelt.
„Halef, ihm nach! Wir müssen wissen, wo er hier wohnt.“
Ich sprang auf, und Halef folgte mir. Vor dem Zelt angekommen, sah ich ihn auf einem Esel fortgaloppieren, während der Treiber, sich am Schwanz des Tieres haltend, hinter ihm drein sprang; unser Diener aber war nirgends zu sehen, und als wir ihn nach hastigem Suchen bei einem Märchenerzähler fanden, war es zu spät, den Flüchtigen zu erreichen. Die Ghuta bot ihm mehr als genug Weg und Deckung, uns zu entgehen.
Das machte mich so mißmutig, daß ich heimzukehren beschloß. Ich hatte beim Erscheinen dieses Menschen sofort das Gefühl gehabt, daß ich auf irgendeine Weise wieder mit ihm zusammengeraten müsse, und nun war mir die Gelegenheit entgangen, etwas Näheres über seinen hiesigen Aufenthalt zu erfahren. Auch Halef murmelte verschiedene Kraftworte in seinen dünnen Bart hinein und meinte dann, daß es am besten sei, nach Hause
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