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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ward das Piano hereingetragen. Ein bittender Blick Jacubs sagte mir, was von mir gewünscht werde, und ich kam meiner Pflicht auch ohne Zögern nach. Nur eine Bedingung machte ich, auf deren Erfüllung ich aber auch streng bestand. Ich bat nämlich, den Vorhang zu entfernen. Jacub sah mich erschrocken an.
    „Warum, Herr?“ fragte er.
    „Weil dieser Sammet den Schall meiner Töne so einfangen wird, daß ihr nicht sehr viel Schönes hören werdet.“
    „Aber es sitzen Frauen dahinter!“
    „Sie haben ihre Schleier!“
    Erst nach einer längeren Unterredung mit seinen Gästen wagte er, den Vorhang zu beiden Seiten zurückzuschieben, und nun erblickte ich etliche dreißig weibliche Gestalten, welche auf weichen Matten am Boden hockten. Ich tat mein möglichstes, sie zu unterhalten, und sang ihnen auch eine Anzahl Lieder vor, deren Text ich während des Gesanges, so gut ich es vermochte, in das Arabische extemporierte.
    Als ich aufhörte, führte mich Jacub an das kleine Gitterfenster, welches hinaus auf die ‚gerade Straße‘ ging. Da unten stand, so breit die Gasse war, eine Kopf an Kopf gedrängte Zuschauerschar. Was werden diese Moslemin gedacht haben, als sie mich singen hörten! Die Gäste meines Wirtes aber hielten mich keineswegs für verrückt, daß ich ihnen den ‚Ton meiner Kehle preisgab‘, was kein Altgläubiger tut; sie waren bereits aufgeklärt genug, um sich den Genuß mit zelotischen Skrupeln nicht zu verderben, und verließen gegen Mitternacht das Haus mit dem Vorsatz, es bald wieder zu besuchen. Was die Damen betrifft, so hatte ich etliche dreißig Nasenspitzen und einige sechzig Augen gesehen, sonst aber nichts – nicht einmal einen Fuß, der im Taktschlagen den Pantoffel verloren hätte, da beides, Füße und Pantoffel, bei der Art und Weise des orientalischen Sitzens von mir abgewendet war.
    Jacub führte mich mit großer Höflichkeit auf mein Zimmer zurück und freute sich, als ich seinem Sohn erlaubte, mitzukommen. Dieser bedauerte, daß sein Gehilfe nicht auch da gewesen sei.
    „Du hättest ihm eine große Freude bereitet“, bemerkte er mir. „Er liebt die Musik und ist ein sehr kluger Mann. Er kann in der Sprache der Italiener, Franzosen und Engländer mit dir sprechen.“
    „Ist er aus Damaskus?“ fragte ich, um den hingeworfenen Gesprächsgegenstand höflich aufzunehmen.
    „Nein“, antwortete Jacub. „Er ist aus Adrianopel und der Enkel meines Oheims. Sein Name ist Afrak Ben Hulam. Wir hatten ihn noch nie gesehen; er kam mit einem Brief seines Vaters und mit einem Schreiben meines Bruders Maflei in Stambul bei mir an, um sein Geschäft noch weiter kennenzulernen!“
    „Warum war er heut abend nicht zugegen?“
    „Er war müd und fühlte sich nicht wohl“, antwortete Schafei. „Als er von dem Fest zurückkehrte, sagte ich ihm, daß Kara Ben Nemsi Effendi angekommen sei und heut abend Musik machen werde; er wollte gern kommen, aber er war krank und sah blaß aus wie der Tod. Aber dennoch hat er die Musik gehört, denn er schläft nahe bei dem Zimmer, in welchem wir uns befanden.“
    Nach kurzem Aufenthalt bei mir verließen mich die beiden, und ich legte mich zur Ruhe. Wie anders schlief es sich auf diesen Polstern als da draußen im harten Sand oder auf feuchter, gifthauchender Erde!
    Als ich am Morgen erwachte, hörte ich den Bulbul (Nachtigall) locken, der draußen vor meiner Fensteröffnung auf dem Zweige saß. Auch Halef war bereits munter, als ich in sein Gemach trat, trank Kaffee und aß Zuckergebäck dazu. Ich leistete ihm Gesellschaft, und dann gingen wir hinunter in den Hof, um an dem Bassin eine Pfeife zu rauchen. Vorher aber sah ich nach den Pferden. Sie standen auf Marmor und Weizenstroh und schmausten prächtige Datteln; ich sah, daß sie ebensowenig Veranlassung zur Beschwerde hatten, wie wir selbst.
    Am Brunnen trat der junge Schafei zu uns, um sich zu verabschieden und uns zu einem Besuch im Bazar einzuladen. Er mußte den ganzen Tag dort zubringen, denn das Unwohlsein seines Vetters und Gehilfen hatte sich gesteigert, so daß dieser das Zimmer hüten mußte. „Herr, ich weiß, daß du ein Hekim bist …“ sagte er.
    „Wer sagte das?“ unterbrach ich ihn.
    „Du hast damals am Nil vielen Kranken geholfen; Isla hat es uns erzählt. Daher bat ich vorhin den Gehilfen, mit dir zu sprechen, aber er will es nicht tun; er sagte, daß diese Krankheit öfters erscheine, aber stets nach zwei Tagen wieder vorübergehe. Willst du nicht einmal nach ihm

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