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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Komödien auf, in denen sie sich in eigentümlichen Tänzen und heulenden Gesängen produzieren.
    Hinter der Klosterpforte traten wir in einen hohen, kühlen Querraum, welcher die ganze Breite des Gebäudes einnahm. Von hier aus lief zur linken Hand ein Gang rechtwinkelig mit der Langseite des Klosters parallel. Auf dieser Galerie öffneten sich die Zellen der Derwische; die Fenster der Zellen gingen nach dem Hof hinaus. Türen gab es nicht, und so konnte man von dem Gang aus in jede der offenen Zellen blicken. Ihre Einrichtung war außerordentlich einfach: – sie bestand nur aus einem schmalen Kissen, welches rings an den Wänden sich hinzog. Auf diesen Diwans saßen die Derwische mit ihren tütenförmigen, zuckerhutähnlichen Filzmützen auf dem Kopf, genau so, wie sie in unseren Zirkusvorstellungen von den Clowns getragen werden. Einige rauchten, andere machten Toilette zu dem bevorstehenden Tanz, und noch andere saßen ohne Bewegung und in sich versunken da, wie Statuen.
    Von hier aus begaben wir uns nach dem Pavillon, wo wir zunächst einen viereckigen Vorsaal betraten, aus welchem man in den großen, achteckigen Hauptsaal gelangte. Eine von schlanken Säulen getragene Kuppelwölbung bildete das Dach desselben, und die Rückseite des Raumes nahm eine Reihe großer, offenstehender Fenster ein. Der Boden war spiegelglatt parkettiert. Zwei Reihen von Logen – die eine zur ebenen Erde und die andere in halber Saalhöhe – liefen um alle acht Wände des Saales; einige der oberen Logen waren mit vergoldeten Stäben vergittert und für die weiblichen Zuschauer bestimmt. Eine andere, auch in der oberen Reihe befindliche Loge bildete den Aufenthalt des Musikchores. Diese Logen waren alle besetzt, und auch wir nahmen in einer der unteren Platz.
    Die Komödie, welche als gottesdienstliche Handlung gelten sollte, nahm ihren Anfang.
    Es zogen durch die Haupttür gegen dreißig Derwische ein; voraus ging ihr Vorsteher. Dieser war ein alter, graubärtiger Mann und trug einen langen, schwarzen Mantel; die anderen waren in braune Kutten gekleidet, alle aber hatten die hohe, konische Filzmütze auf dem Kopf. Sie schritten langsam und in würdevoller Haltung dreimal im Saal herum und dann hockten sie sich nieder: der Anführer dem Eingang gegenüber, und die übrigen rechts und links von ihm in zwei Halbkreisen. Nun begann eine Musik, deren Disharmonie mir die Ohren zerreißen wollte, und dazu ertönte ein Gesang, welcher, nach dem Wort eines deutschen Dichters, ‚Steine erweichen und Menschen rasend machen konnte‘.
    Nach diesen Klängen machten die Derwische allerlei Verbeugungen und sonderbare Bewegungen teils gegen sich, teils gegen ihren Vorsteher. Sie wiegten sich mit untergeschlagenen Beinen von rechts nach links, von hinten nach vorn, schraubten den Oberkörper im Kreis auf den Hüften, verdrehten die Köpfe, schwenkten die Arme, rangen die Hände, klatschten sie zusammen, warfen sich platt auf den Boden und schlugen auf denselben mit ihren tütenförmigen Filzmützen, daß man es klatschen hörte.
    Dies war der erste Teil der sonderbaren Feierlichkeit und währte wohl eine halbe Stunde. Dann verstummten Musik und Gesang, und die Derwische blieben ruhig auf ihren Plätzen hocken. Auf mich machte das Exerzitium den Eindruck, daß ich es mit verrückten Menschen zu tun habe; die Türken jedoch hatten ihm mit außerordentlicher Andacht und mit Staunen zugeschaut und schienen sehr erbaut zu sein.
    Jetzt begann die Musik von neuem, und zwar in einem rascheren Tempo. Die Derwische sprangen auf, warfen ihre braunen Kutten ab und erschienen nun auf einmal in weißen Gewändern. Sie verbeugten sich in verschiedenen Tempi und verschiedener Tiefe von neuem gegen den Vorsteher und gegeneinander und begannen nun den Tanz, von welchem sie den Namen der ‚Tanzenden‘ erhalten haben.
    Es war eigentlich nicht ein Tanz, sondern nur ein Drehen zu nennen. Jeder blieb an dem Ort stehen, an welchem er sich befand, und drehte sich in langsamem Tempo um seine eigene Achse, und zwar immer nur auf einem Fuß stehend. Dabei hatten sie bisweilen die Arme auf die Brust gekreuzt und zuweilen streckten sie die Hände weit von sich ab, bald nach vorn und bald nach rechts und links. Die Musik ging in einen immer schnelleren Rhythmus über, und somit war die Kreiselbewegung der Derwische eine immer schnellere; endlich war sie so schnell, daß ich die Augen schloß, um nicht vom bloßen Zuschauen drehend zu werden. Dies dauerte gegen eine halbe

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