14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
entgegenzutreten. Aber in Beziehung auf Konstantinopel muß ich doch erwähnen, daß man diese Stadt nur dann schön zu finden vermag, wenn man sie nur von außen, vom goldenen Horn aus, betrachtet; sobald man dagegen ihr Inneres betritt, wird die Enttäuschung nicht ausbleiben. Ich erinnere mich dabei jenes englischen Lords, von welchem man erzählt, daß er zwar mit seiner Dampfjacht Konstantinopel besucht, aber dabei nicht sein Fahrzeug verlassen habe. Er fuhr von Rodosto am Nordufer des Marmarameeres hin bis Stambul, lenkte in das goldene Horn ein, in welchem er bis hinauf nach Eyub und Sudludje dampfte, kehrte zurück und ging im Bosporus bis an dessen Mündung in das schwarze Meer und fuhr dann wieder zurück, in dem Bewußtsein, sich den Totaleindruck Konstantinopels nicht durch Eingehen auf die garstigen Einzelheiten verdorben zu haben.
Betritt man hingegen die Stadt, so kommt man in enge, krumme, winkelige Gäßchen und Gassen, welche unmöglich Straßen zu nennen sind. Pflaster gibt es nur selten. Die Häuser sind meist aus Holz gebaut und kehren der Gasse eine öde, fensterlose Front zu. Bei jedem Schritt stößt man auf einen der häßlichen, struppigen Hunde, welche hier die Wohlfahrtspolizei zu versehen haben, und wegen der Enge der Passage muß man jeden Augenblick gewärtig sein, von Lastträgern, Pferden, Eseln und anderen tierischen oder menschlichen Passanten in den Kot gerannt zu werden.
So war es auch auf unserem Weg nach St. Dimitri. Die Gassen waren von den Überresten, welche die Fisch-, Fleisch-, Obst- und Gemüsehändler weggeworfen hatten, verunreinigt; Melonenschalen faulten in ungeheuren Mengen am Boden; neben den Fleischresten stank das Blut in breiten Löchern; Kadaver von Hunden, Katzen und Ratten, abgerissene Stücke von gefallenen Pferden hauchten einen fürchterlichen Geruch aus; Geier und Hunde waren die einzigen Wesen, welche für die Milderung dieses unerträglichen Zustandes sorgten. Wir konnten kaum den Hammals ausweichen, welche große Steine, Bretter und Balken durch die verwahrlosten Gassen schleppten, und begegnete uns einmal ein bepackter Esel, ein dicker, berittener Muselmann oder ein mit Ochsen bespannter Frauenwagen, so war es geradezu eine Kunst, vorüberzukommen, ohne zerquetscht zu werden.
So gelangten wir endlich nach Dimitri. Hier stiegen wir ab und gaben unseren Atdschis (Pferdeverleiher) ihre Pferde zurück. Zunächst zeigte mir der Jüterbogker seine Wohnung; sie lag im Hinterteil einer halb verfallenen Hütte und war einem Ziegenstall ähnlicher als einer menschlichen Behausung. Die Tür wurde von einigen zusammengeklebten Papierbogen gebildet; das Fenster war einfach ein durch die Wand gestoßenes Loch, und an Geschirr und Gerät hatte er nichts aufzuweisen, als einen henkellosen Wasserkrug, über dessen Öffnung eine Kreuzspinne ihr Netz gewoben hatte, und ein Stück von einem zerfetzten Segel, welches als Ottomane und Schlafstelle diente.
Ich sah mir diese traurige Einrichtung wortlos an und folgte ihm dann wieder hinaus auf die Straße. Er führte mich in ein Haus, dessen Äußeres nichts Gutes verhieß, und dessen Inneres diese Weissagung vollständig bestätigte. Es war eines jener griechischen Wein- und Kaffeehäuser, in denen der Wert eines Menschenlebens gleich Null ist, und deren Bevölkerung und Besucher nach ihrem Leben und Treiben unmöglich beschrieben werden können.
Ohne sich in dem vorderen Raum aufzuhalten, führte mich der Barbier in ein hinteres Gemach, wo man Kartenspiele machte und – Opium rauchte. Die Raucher lagen in den verschiedensten Stadien auf einem langen, schmalen Strohpolster, welches sich an zwei Wänden des Zimmers hinzog. Da war ein alter Kerl eben beschäftigt, das Gift in Brand zu setzen. Seine skelettartige Gestalt hatte sich vor Begierde aufgerichtet; seine Augen, sonst erloschen, funkelten vor Verlangen, und seine Hände zitterten. Er machte einen abscheulichen Eindruck auf mich. Daneben lag ein junger, kaum zwanzigjähriger Bursche im Betäubungstraum; er lächelte, als befinde er sich im siebenten Himmel Mohammeds; auch er war bereits dem Teufel des Opiums verfallen, der keinen wieder aus seinen Krallen läßt. In seiner Nähe wand sich ein langer, hagerer Dalmatiner im Paroxismus des Rausches, und unweit desselben grinste die widerliche Fratze eines verkommenen Derwisches, welcher sein Kloster verlassen und diese Höhle aufgesucht hatte, um seine Lebenskraft den wahnsinnigen Bildern der trügerischen Narkose zu
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