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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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opfern.
    „Rauchen Sie etwa auch?“ fragte ich ahnungsvoll meinen Führer.
    „Ja“, antwortete er; „aber et is noch nicht lange her.“
    „Um Gottes willen, dann ist es vielleicht noch Zeit, davon zu lassen! Wissen Sie denn noch nicht, wie hinterlistig, wie teuflisch dieses Gift wirkt?“
    „Teuflisch? Hm, dat scheinen Sie doch nicht zu verstehen! Es wirkt im Jegenteil ganz himmlisch. Wollen Sie es 'mal versuchen?“
    „Fällt mir gar nicht ein. Was kann man hier trinken?“
    „Wein. Ik werde bestellen; dat andere ist Ihnen Ihre Sache!“
    Wir erhielten einen dicken, roten, griechischen Wein, dessen schlechten Geschmack man nicht begreifen kann, wenn man weiß, wie köstlich die großbeerigen griechischen Trauben sind. Das also war das Haus, in welchem Abrahim Mamur verkehrte. Ich erkundigte mich bei dem Wirt nach ihm; da ich aber aus Vorsicht keinen Namen nennen durfte und auch denjenigen nicht wußte, welchen er sich jetzt beigelegt hatte, so war diese Nachforschung vergeblich.
    Aus diesem Grund trug ich dem Barbier auf, die Augen offenzuhalten und mir es sofort wissen zu lassen, wenn er den Gesuchten fände. Ich versah ihn mit einer kleinen Summe Geldes und verabschiedete mich, hatte aber das traurige Lokal noch nicht verlassen, so saß er bereits bei den Spielern, um das Geld im Hazardspiel zu verlieren und den Rest dann wohl in Opium zu verrauchen. Ich gab den Mann an Leib und Seele verloren, nahm mir aber vor, ihn womöglich von der eingeschlagenen Bahn wieder abzulenken.
    Der andere Tag war ein Freitag, und Isla, welcher in Pera zu tun hatte, lud mich ein, ihn zu begleiten. Wir gelangten auf dem Rückweg an ein moscheeartiges Gebäude, welches in der Nähe des russischen Gesandtschaftshotels lag und von der Straße durch ein Gitter getrennt wurde. Isla blieb stehen und fragte:
    „Effendi, hast du einmal die Chora-teperler (‚Die Tanzenden‘ – tanzende Derwische) gesehen?“
    „Ja, doch nicht hier in Konstantinopel.“
    „Dies ist ihr Manastyr (Kloster), und wir haben gerade jetzt die Stunde ihrer Exerzitien. Willst du einmal mit mir eintreten?“
    Ich bejahte diese Frage, und wir traten durch den weit geöffneten Torflügel des Gitters in den mit breiten Marmorplatten gepflasterten Hofraum. Die linke Seite desselben wurde durch einen ebenfalls umgitterten Friedhof begrenzt. Zwischen dem Gitter erblickte man unter dem Schatten hoher, dunkler Zypressen eine Menge weißer Leichensteine, welche oben mit einem turbanähnlichen Aufsatz verziert waren. Die eine Seite dieser Steine enthielt den Namen des Toten und einen Spruch aus dem Koran. Eine beträchtliche Anzahl türkischer Frauen hatte sich diesen Friedhof zur Nachmittagspromenade ausersehen, und wohin man nur blickte, da schimmerten die weißen Schleier und farbigen Mäntel durch die Bäume. Der Türke liebt es, die Orte zu besuchen, an denen seine Toten ihren ewigen ‚Kef‘ halten.
    Den Hintergrund des Hofes nahm ein runder Pavillon ein, welcher mit einer Kuppel bedeckt war, und die rechte Seite wurde von dem Kloster gebildet, einem einstöckigen, auch mit einem Kuppeldach versehenen Gebäude, dessen Rückseite der Straße zugekehrt war.
    In der Mitte des Hofes stand eine hohe, bis zur Spitze mit Efeu umrankte Zypresse. Der Hof selbst war voll von Menschen, welche alle nach dem Pavillon drängten; Isla jedoch führte mich zunächst in das Kloster, um mir das Innere eines türkischen Derwischhauses zu zeigen.
    Derwisch ist ein persisches Wort und bedeutet: ‚Armer‘; das arabische Wort dafür ist ‚Fakir‘. Derwisch wird jeder Angehörige eines religiösen islamitischen Ordens genannt. Dieser Orden gibt es sehr viele; doch legen deren Angehörige kein Gelübde ab; das Gelöbnis der Armut und Keuschheit und des Gehorsams kennen sie nicht. Die Tekkije und Khangah (Derwischklöster) sind oft sehr reich an Grundstücken, Kapitalien und Einkünften, wie überhaupt die ganze türkische Geistlichkeit keineswegs in Dürftigkeit lebt. Die Mönche sind meistenteils verheiratet und beschäftigen sich mit Essen, Trinken, Schlafen, Spielen, Rauchen und Nichtstun. Früher hatten die Derwische eine nicht gewöhnliche religiöse und politische Bedeutung; jetzt aber ist ihr Ansehen gesunken, und nur von dem Pöbel wird ihnen noch eine Art Achtung gezollt. Darum sind sie auf Künste bedacht, durch welche sie sich den Anstrich von Gottbegeisterten oder Zauberern zu geben vermögen. Sie verrichten allerlei Kunst- und Theaterspielerstückchen und führen

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