14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
und erklärte mir prahlerisch, und um mich zu peinigen, daß er das Haupt einer Mörderbande sei. Wenn dies auf Wahrheit beruhte, so mußte diese Bande über einen großen Teil der Türkei verbreitet sein, wie seine Beziehungen zu Ägypten und Damaskus bewiesen. Konstantinopel ist niemals frei von Verbrecherverbindungen gewesen, aber grad jetzt hatte die Unsicherheit den höchsten Grad erreicht. Man fand vollständig ausgeräumte Wohnungen und den Besitzer derselben ermordet oder verschwunden; man sah im goldenen Horn oder im Bosporus Leichen von Personen schwimmen, die allem Anschein nach eines gewaltsamen Todes gestorben waren; es entstanden des Nachts in einer und derselben Minute an verschiedenen, weit voneinander gelegenen Orten der Stadt Feuer, bei denen geraubt und gestohlen wurde und die in einem Zusammenhang miteinander zu stehen schienen; man begegnete des Nachts verdächtigen Gestalten, die nicht mit Laternen versehen waren und, wenn sie von der Patrouille angehalten wurden, derselben förmliche Gefechte lieferten. Und unglaublich klingt es, wie die Gerechtigkeit mit solchen Menschen verfuhr. Einst wurde eine ganze Bande der gefährlichsten Menschen aufgehoben, und der Sultan verbannte sie nach Tripolis; nach einiger Zeit kehrte der Kapitän des Transportschiffes zurück und berichtete, daß er an der Küste von Tripolis Schiffbruch gelitten habe; alle Verbrecher, die sich an Bord befanden, seien ertrunken. Damit war die Sache abgemacht. Einige Tage später konnte man den ertrunkenen Spitzbuben in den Straßen der Stadt begegnen, und keinen Menschen schien das zu befremden.
Ich teilte den beiden anderen von meinem Gedanken noch nichts mit und erfuhr von Omar, daß der Derwisch Ali Manach in der fünften Zelle, vom Eingang an gerechnet, wohne. Dann begab ich mich nach dem Kloster zurück. Ohne mich um die Anwesenden zu bekümmern, schritt ich durch den Hof grad auf die Klosterpforte zu und trat in den Vorraum. Die Tür zu dem Gang stand offen. Die Derwische befanden sich wieder in ihren Zellen. Ich schritt langsam den langen Gang hinab und wieder zurück, um mir die Gemächer und deren Insassen zu betrachten, und kein Mensch kümmerte sich um mich. In der fünften Zelle saß ein junger Derwisch, der vielleicht zwanzig und einige Jahre zählen mochte; er sah starr zum Fenster empor und ließ die neunundneunzig Kugeln seines Rosenkranzes durch die Finger gleiten.
„Sallam!“ grüßte ich mit tiefer Stimme und würdevoller Haltung.
„Sallam aaleïkum!“ antwortete er. „Was willst du?“
„Ich komme aus einer fernen Provinz und bin mit den Gebräuchen dieses Hauses unbekannt. Ich habe euren Tanz gesehen und möchte euch für die Erbauung danken, welche ihr mir bereitet habt. Darfst du eine Gabe nahmen?“
„Ich darf; gib her!“
„Wie groß muß sie sein?“
„Es wird jeder Para angenommen.“
„So nimm!“
Ich gab ihm nach meinen nicht bedeutenden Mitteln; er aber schien zufrieden zu sein, denn er sagte:
„Ich danke dir! Soll dies für mich oder für den Orden sein?“
„Habe die Gnade und nimm es für dich!“
„So sage mir deinen Namen, damit ich weiß, wem ich zu danken habe.“
„Der Prophet sagt, daß die Gabe aus einer verschwiegenen Hand einst doppelt angerechnet werde; erlaube mir darum, daß ich schweige, und sage mir dagegen deinen Namen, damit ich weiß, mit welchem frommen Sohn des Islam ich gesprochen habe.“
„Mein Name ist Ali Manach Ben Barud el Amasat.“
„Und welches ist der Ort, der deine Geburt gesehen hat?“
„Iskenderiëh (Skutari am See gleichen Namens) ist meine Vaterstadt“, antwortete er.
Das stimmte ja! Isla hatte mir schon in Ägypten erzählt, daß Barud el Amasat, der Senitza verkauft hatte, in Skutari gewohnt habe. Ich fragte weiter:
„Leben die Angehörigen deiner frommen Familie noch dort?“
„Nein“, antwortete er.
Ich durfte nicht weiter fragen, sonst hätte ich seinen Verdacht erweckt; darum sprach ich noch eine Höflichkeitsformel aus und entfernte mich. Beim Kawedschi hatten mich Isla und Omar mit Ungeduld erwartet.
„Was hast du erfahren?“ fragte Isla.
„Er ist der Sohn jenes Barud el Amasat; er stammt aus Skutari, und wenn mich nicht alles trügt, so ist Hamd el Amasat, welcher sich Abu en Nassr nannte, sein Oheim.“
„Effendi, so muß er uns sagen, wo sein Vater sich befindet!“
„Er muß? Wie willst du ihn zwingen?“
„Durch den Kadi.“
„So wird er einen falschen Ort nennen, oder, wenn er den richtigen
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