14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
er denn über Terraneh, Giza, Nadir, Negileh und Dahari dem Rosette-Arm des Nils nachgeritten, aber endlich in Ramanieh zu der Erkenntnis gekommen, daß das gesuchte Schiff den Damiette-Arm benutzt haben müsse. Er ritt nun über Kasr el Madschar und Mehallet el Kebir quer durch das Delta und erfuhr wirklich in Samanud, daß es hier angelegt habe und dann weiter stromabwärts gefahren sei. So folgte er der nun sicheren Spur bis Damiette, wo er zu spät in Erfahrung brachte, daß der Gesuchte mit einem Kornschiff nach Adalia gefahren sei.
Er war ganz mittellos und mußte sich durch Hafenarbeit erst so viel verdienen, um ihm folgen zu können, denn das, was er für sein Pferd löste, reichte nicht hin. Endlich gelang es ihm, unentgeltlich nach Cypern zu kommen, und von hier aus nahm ihn ein Fischer mit an das Festland. Er erreichte dasselbe gegenüber von Cypern in Anamar und kam dann zu Fuß über Selindi und Alaja endlich nach Adalia. Hier aber blieben alle seine Nachforschungen vergebens. Es war bereits eine zu lange Zeit vergangen, und er besaß nicht Mittel und Erfahrung genug, um seine Nachforschungen in der rechten Weise vorzunehmen.
Trotzdem verlor er die Ausdauer nicht, welche ihm von dem Gesetz der Blutrache befohlen war. Er schloß aus der Richtung, die Abu en Nassr eingeschlagen hatte, daß dieser beabsichtigte, nach Konstantinopel zu gehen, und bettelte sich quer durch Anatolien hindurch. Das ging sehr, sehr langsam, und in Kutahija wurde er krank; die erlittenen Strapazen warfen ihn auf mehrere Monate nieder, und es war ein Glück für ihn, daß er in einem Derwischkloster Pflege fand.
So langte er denn erst nach vielen, vielen Monaten, während welcher Zeit ich eine weit größere Reise gemacht hatte, in Stambul an. Er hatte noch keine sichere Spur gefunden, gab aber die Hoffnung nicht auf. Um leben und sich etwas sparen zu können, war er Lastträger geworden, gewiß eine große Überwindung für einen freien Araber; und als ich ihn fragte, wie lange er noch so aussichtslos in Konstantinopel bleiben wolle, antwortete er:
„Sihdi, vielleicht verlasse ich die Stadt sehr bald, Allah hat mir erlaubt, einen sehr wichtigen Namen zu entdecken.“
„Welchen?“
„Sagtest du nicht damals am Schott Dscherid, daß dieser Abu en Nassr eigentlich Hamd el Amasat heiße?“
„Allerdings.“
„Ich habe hier einen Mann entdeckt, welcher sich Ali Manach Ben Barud el Amasat nennt!“
„Ah! Wer ist es?“
„Ein junger Derwisch des Klosters, welches du soeben besucht hast. Ich war dort, um in seiner Zelle mit ihm zu sprechen und ihn auszuforschen; da aber erblickte ich dich und hatte also keine Zeit für ihn.“
„Ali Manach Ben Barud el Amasat!“ rief Isla so eifrig, daß ich ihn auf die übrigen Besucher des Kaffeehauses aufmerksam machen mußte. „Er ist also der Sohn jenes Barud el Amasat, welcher mein Weib verkauft hat? Ich werde sofort in das Kloster gehen, um mit ihm zu sprechen!“
„Das wirst du nicht“, sagte ich. „Amasat ist kein seltener Name. Vielleicht steht dieser Derwisch in gar keiner Beziehung zu dem Mann, welchen du meinst. Und wenn es wirklich so ist, wie du denkst, so muß man vorsichtig sein. Willst du nicht mir erlauben, hinzugehen?“
„Ja, gehe, Effendi! Aber gleich! Wir werden dich hier erwarten.“
Ich forschte weiter:
„Wie hast du erfahren, daß der Derwisch den Namen Amasat führt?“
„Ich fuhr gestern mit ihm und einem seiner Genossen im Kaik nach Baharive Keui; sie sprachen miteinander, und da hörte ich seinen Namen nennen. Es war bereits dunkel, und ich ging ihnen nach; sie blieben vor einem Haus stehen, das verschlossen war. Als es geöffnet wurde, fragte eine Stimme, wer eintreten wolle, und sie antworteten: ‚En Nassr.‘ Ich mußte mehrere Stunden warten, ehe sie wieder kamen; es gingen viele Männer aus und ein, und alle sagten, wenn sie gefragt wurden, dieses Wort. Kannst du dies begreifen, Sihdi?“
„Hatten sie Laternen bei sich?“
„Nein, obgleich des Nachts niemand ohne Laterne gehen darf; es war kein Khawaß in der Gegend. Ich bin den beiden dann nachgefahren und ihnen bis zum Kloster der tanzenden Derwische gefolgt.“
„Hast du das Wort ‚En Nassr‘ richtig verstanden?“
„Ganz genau.“
Omars Bericht gab mir außerordentlich zu denken. Es fielen mir unwillkürlich die Worte ein, welche Abrahim Mamur zu mir sagte, als er mich in den Ruinen von Palmyra überwältigt hatte. Er hielt mich damals für vollständig unschädlich gemacht
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