14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
sagt, seinen Vater benachrichtigen. Nein, wir müssen vorsichtig sein. Zunächst will ich mir das Haus ansehen, in welchem er gestern gewesen ist. Ich werde sogleich mit Omar nach Baharive Keui gehen und dir dann vielleicht sagen können, was zu tun ist.“
„Du sollst deinen Willen haben, Effendi, wir werden uns also jetzt trennen; dann aber bringst du Omar Ben Saduk mit, denn er soll bei mir wohnen und nicht mehr Hammal sein!“
Isla kehrte nach Hause zurück, und ich begab mich mit Omar an das Wasser, wo wir ein Kaik nahmen und im goldenen Horn aufwärts fuhren, um in Eyub zu landen. Von hier aus gingen wir zu Fuß nach Baharive Keui, welches der nordwestlichste Stadtteil von Konstantinopel ist. Es war ein beschwerlicher Weg durch Schmutz, Unrat und Häusertrümmer, bis wir in eine Art Sackgäßchen gelangten, in welches wir einbogen.
Omar zeigte mir das betreffende Haus nur so im Vorübergehen, damit unser Verhalten nicht auffällig wäre. Es war ein schmales, doch, wie es schien, sehr tiefes Gebäude mit vorspringendem Oberstock; die Tür war mit starkem Eisenblech beschlagen, und die ganze Front zeigte außer einem kleinen, viereckigen Loch neben dem Eingang die kahle, fest geschlossene Wand. Diese Bemerkungen machte ich im Vorbeischreiten. Das Nachbargebäude hatte auch ein Oberstockwerk und war ebenso schmal; an seiner Tür klebte ein schmutziger Papierfetzen, auf welchem die Worte: ‚Ararim bir Kiradschiji – ich suche einen Mietsmann‘ geschrieben standen.
Kurz entschlossen, hatte ich sofort den Türdrücker in der Hand und trat ein; Omar folgte mir ganz erstaunt darüber, was ich hier suchen wolle. Wir befanden uns in einem sehr engen, finsteren Flur, in welchem wir forttappten, bis ich an eine dem Eingang gegenüber liegende Tür stieß; ich öffnete sie und trat in einen Hof, welcher, wie das ganze Haus, vielleicht acht Ellen Breite besaß, dafür aber eine wohl zehnfache Länge hatte. Die beiden Langseiten und die hintere Breitseite wurden von drei holzschuppenähnlichen Gebäuden gebildet, welche sich schon im letzten Stadium des Verfalles befanden. Rechts und links von der Hoftür führte je ein Eingang in die zwei Parterreseiten, die aber nur schmale Löcher sein konnten; zum Oberstock kam man auf einer halbfaulen Holztreppe, der von den dreizehn Stufen, die sie ursprünglich besessen hatte, sechs verloren gegangen waren.
Der Hofraum bildete eine einzige große Schlammpfütze, die aber zur Zeit von der Sonne ausgetrocknet und in eine feste, brüchige Masse verwandelt worden war. In derselben klebte ein unförmlicher Holzklotz, dessen Bestimmung unmöglich zu erraten war, und auf diesem rätselhaften Klotz saß ein Ding, welches mir noch viel rätselhafter gewesen wäre, wenn es nicht einen alten, schmierigen Tschibuk geraucht hätte. Das Ding hatte nämlich Kugelform und war in einen viel zerrissenen Kaftan gewickelt; auf dieser Kugel lag ein früher vielleicht blau oder meinetwegen auch rot gewesener Turban, und zwischen Kugel und Turban stahl sich eine, wie es schien, menschliche Nase und der soeben erwähnte Tschibuk hervor. Die Nase war nicht viel kürzer als die Pfeife.
Bei unserem Anblick stieß das igelartig zusammengerollte Wesen ein Grunzen aus, das halb behaglich, halb aber auch feindselig klang, und traf Anstalt, sich aus dem Kaftan zu wickeln.
„Sallam!“ grüßte ich.
„Ssssss – hmmm!“ zischte und brummte es als Antwort.
„Dieses Haus ist zu vermieten?“
In einem Nu kollerte die Gestalt von dem Klotz herunter und richtete sich dann nach menschlicher Weise auf.
„Ja, jawohl, allerdings, sofort zu vermieten! Schönes Haus, herrliches Haus, prächtige Wohnung, fast für einen Pascha zu gut, alles beinahe ganz neu! Wollen Sie sich das Haus ansehen, Hoheit?“
Das alles kam jetzt auf einmal so schnell und hastig heraus wie aus dem Speiteufel einer Schrotmühle. Man sah, als Abmieter waren wir dem Mann ebenso willkommen, wie wir ihm in jeder anderen Beziehung unwillkommen gewesen wären. Es war ein Jude, der jetzt in seiner ganzen patriarchalischen Glorie vor uns stand, denn alles an ihm schien auf ein Paar tausend Jahre zurückzuweisen. Er war klein, sehr klein, aber desto dicker. Man sah an ihm nichts als ein paar Strohpantoffel, den Kaftan, den Turban, die Nase und die Pfeife, aber das alles, außer der Nase natürlich, schien bereits zu Methusalems Zeiten in Gebrauch gewesen zu sein. Aus den Pantoffeln blickten alle zehn Zehen in rührender Eintracht hervor; der
Weitere Kostenlose Bücher