14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Kaftan war kein Zeug mehr, sondern nur noch Schmutz; der Turban hatte das Aussehen einer ungeheuren, runzeligen Backpflaume, und die Pfeife war nach und nach vorn so abgebissen worden, daß nur noch der Kopf übrig geblieben war, in welchen der glückliche Besitzer anstatt des Rohres einen hohlen Geierknochen gesteckt hatte; der war nicht so leicht durchzubeißen. Übrigens hatte der Kaftan keine Ärmel mehr, und die Ängstlichkeit, mit welcher ihn der Mann zusammengeschlagen und den Kragen emporgezogen hielt, ließ vermuten, daß er die einzige Bedeckung des Vermieters bilde.
Der Mann hatte mich ‚Sie‘ genannt; ich gab ihm natürlich dasselbe Prädikat:
„Sind Sie der Besitzer dieses Hauses?“
„Nein, aber Hoheit kann versichert sein, daß ich trotzdem nicht zu den armen, verkommenen –“
„Bitte“, unterbrach ich ihn, „beantworten Sie mir meine Fragen so kurz wie möglich! Wem gehört das Haus?“
„Dem reichen Furundschi (Bäcker) Mohammad in Khassim Pascha; er hat es geerbt.“
„Und was tun Sie hier?“
„Ich muß es bewachen und soll warten, ob ein Mieter kommt.“
„Was bekommen Sie dafür?“
„Täglich einen Piaster und für einen halben Piaster Brot.“
„Das Haus ist unbewohnt?“
„Ja; ich wohne hier nebenan.“
„Wie viel Mietzins verlangt der Bäcker?“
„Für die Woche zehn Piaster, welche vorausbezahlt werden müssen.“
„Zeigen Sie uns die Räume!“
Er öffnete zunächst die beiden Pforten der Parterreseiten: wir erblickten zwei kellerartige Höhlen, in denen sich nichts als Schmutz und Ungeziefer befand. Dann kletterten wir zur Treppe empor und gelangten in drei Stuben, von denen ich die erste einen Taubenschlag, die zweite einen Hühnerstall und die dritte eine Kaninchenhöhle hätte nennen mögen.
„Hier ist das Selamlik, hier die Wohnstube und hier das Harem“, erklärte er mit solcher Gravität, als habe er uns ein fürstliches Palais zu zeigen.
„Gut! Was enthalten die Gebäude im Hof?“
„Nichts. Sie sind für die Pferde und für die Dienerschaft.“
„Und wie ist Ihr Name?“
„Ich bin Baruch Schebet Ben Baruch Chereb Ben Rabbi Baruch Mizchah; ich kaufe und verkaufe Brillanten, Schmuck und Altertümer, und wenn Sie einen Diener brauchen, so bin ich bereit, Ihnen täglich diese Zimmer auszufegen, die Kleider zu reinigen und alle Wege zu gehen.“
„Sie haben ja einen recht kriegerischen Namen! Wo ist das Lager Ihrer Brillanten, Schmucksachen und Altertümer?“
„Hoheit, ich habe grad jetzt alles verkauft.“
„So gehen Sie zu dem reichen Bäcker Mohammad und sagen Sie ihm, daß ich das Haus mieten werde. Hier sind für ihn zehn Piaster, welche er wöchentlich bekommen soll, und hier sind noch zehn für Sie selbst, damit Sie sich Tabak kaufen mögen.“
„Hoheit, ich danke Ihnen“, rief er erfreut; „Sie verstehen es, mit einem Mann zu verkehren, der nur in Brillanten und Altertümern Geschäfte macht! Aber Mohammad wird mich fragen, wer Sie sind. Was soll ich ihm antworten?“
„Zunächst nennen, Sie mich nicht Hoheit! Mein Kleid ist zwar neu und ganz, doch ist es mein einziges. Ich bin ein sehr armer Jazidschi (Schreiber), der froh ist, wenn er jemand findet, für den er schreiben darf; und dieser mein Freund ist ein armer Hammal, der auch nur wenig Geld verdient. Wir werden hier zusammen wohnen, und vielleicht findet sich noch einer, damit der Mietzins dem einzelnen nicht zu teuer kommt. Ob Sie bei uns Beschäftigung finden, werden wir uns erst überlegen, denn wir müssen sparsam sein.“
Ich sagte dies, weil wir wegen unserer gefährlichen Nachbarschaft so arm und gering wie möglich erscheinen mußten. Der Jude antwortete:
„O, Effendi, ich brauche nicht viel. Wenn Sie mir täglich zwei Piaster geben, so werde ich Ihnen alles tun und besorgen.“
„Ich werde sehen, ob ich mir so viel verdiene, daß ich zwei Piaster geben kann. Wann können wir einziehen?“
„Sogleich, Effendi.“
„Wir werden heut noch kommen, und ich hoffe, daß wir das Haus dann nicht verschlossen finden!“
„Ich werde sofort zu dem Bäcker eilen und Sie dann hier erwarten.“
Somit war dieses Geschäft abgemacht, und wir verabschiedeten uns von unserem guten Baruch ‚Wurfspieß‘, Sohn des Baruch ‚Säbel‘, Sohn des Rabbi Baruch ‚Beinschiene‘. Bei Isla angekommen, erzählte ich ihm nebst seinem Vater und Oheim unser Erlebnis, und als ich ihnen meine Vermutungen mitgeteilt hatte, willigten sie ein, daß ich mit Halef und Omar das
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