14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
sogleich wieder verlassen, wenn ich plaudere, und das würde mir leid tun.“
„Ich verspreche Ihnen, meine Wohnung trotzdem zu behalten. Ich hoffe, daß wir Freunde sind, und da denke ich, daß Sie ehrlich und aufrichtig gegen mich sein müssen. Ich bin nicht reich, aber auch ein armer Mann kann dankbar sein.“
„Ich habe Ihre Güte bereits kennengelernt und will Ihrem Versprechen glauben. Alle Bewohner dieser Gasse wissen, daß in Ihrem Nachbarhaus nichts Gutes vorgeht, aber sie bekümmern sich nicht darum; es hat einmal einer sich in das andere, nebenan liegende Haus, welches unbewohnt ist, geschlichen, um zu lauschen; er war am anderen Morgen noch nicht zurückgekehrt, und als die Seinen nach ihm sahen, fanden sie ihn an einem Balken aufgehängt. Er selbst hatte das sicherlich nicht getan.“
„So meinen Sie, daß meine Nachbarn nicht nur verdächtige, sondern sogar gefährliche Leute sind?“
„Ja. Sie müssen sich vor ihnen sehr in acht nehmen.“
„Aber man darf doch wenigstens wissen, wer das Haus bewohnt?“
„Es wohnt ein Grieche da, der ein Weib und einen Sohn hat. Sie haben Wein zu trinken und halten viele schöne Knaben und Mädchen, die man aber auf der Gasse niemals zu sehen bekommt. Mehrere Männer gehen von früh bis am Abend durch die Stadt, um Gäste herbeizubringen. Da kommen vornehme Herren und gewöhnliche Leute, Einwohner von Stambul und Fremde; es wird gespielt und Musik gemacht, und ich glaube nicht, daß alle wieder fortgehen, die gekommen sind. Man hört manchmal des Nachts einen Hilferuf oder ein Waffengeklirr, und dann sieht man gewöhnlich des Morgens eine Leiche auf dem Wasser schwimmen. Auch kommen oft des Nachts ganze Trupps von Männern, die keine Laternen haben, dafür aber mit allerlei Dingen bepackt sind, die in das Haus geschafft werden. Dann wird geteilt.“
„Sie sagen, daß sich niemand um dieses Haus bekümmern mag, und dennoch wissen Sie das alles so genau. Haben Sie vielleicht auch einmal gelauscht?“
„Effendi, das darf ich keinem Menschen sagen; ich wäre verloren!“
„Auch mir nicht?“
„Ihnen ganz und gar nicht, denn Sie wären imstande, dasselbe zu tun, was ich getan habe, und dabei könnte es Ihnen ganz so gehen wie jenem Mann, der aufgehängt ward.“
„Vielleicht sagen Sie bloß, daß Sie etwas gesehen haben, um mich furchtsam zu machen!“
„Effendi, wahrlich, ich lüge nicht!“
„Das denke ich wohl auch, aber vielleicht haben Sie nur geträumt.“
Das half. Der Alte wollte weder für einen Lügner, noch für einen Träumer gehalten sein und meinte deshalb:
„Ich will gar nichts sagen, aber ich bitte Sie nur, weder das Brett noch die Stange anzurühren.“
„Welches Brett?“
„In der rechten Wand Ihres Selamlik ist ein Brett locker; es hängt nur noch am obersten Nagel, und daher kann man es unten zur Seite schieben. Dann kommt ein kleiner Zwischenraum, hinter dem sich die Bretterwand des Nachbarhauses befindet; auch da ist ein Nagel los; ich selbst habe ihn herausgemacht. Schiebt man das Brett zur Seite, so blickt man in das Gemach, in dem die Opiumraucher liegen, und daneben hört man die Gläser klingen und die Knaben und Mädchen lachen.“
„Da sind Sie sehr unvorsichtig gewesen! Wenn man nun auch drüben einmal bemerkt, daß die Bretter locker sind!“
„Ich wollte doch sehen, was man drüben treibt, und so mußte ich den Nagel entfernen, anders ging es nicht.“
„Es wäre doch anders und besser gegangen. Sie brauchten nur in das Brett des Nachbarhauses ein kleines Loch zu bohren, so klein, daß es drüben nicht bemerkt werden kann.“
„Da hätte ich zuwenig sehen können.“
„Und was ist es mit der Stange?“
„Sie liegt in dem Schuppen, der an das Nachbarhaus stößt, und ist lang genug, daß man sie als Leiter gebrauchen und an ihr emporklettern kann. Auch die Wand des Hofgebäudes besteht nur aus Brettern, und ich kenne eines derselben, das ein Astloch und eine große Ritze hat. Wenn man hindurchblickt, so sieht man eine große, lange Kammer, in welcher sich die Männer versammeln, wenn sie ihre Beute verteilen.“
„Welches Brett ist es?“
„Ich habe, um es mir leicht merken zu können, einen Kalkstrich daran gemacht.“
„Aber wie kommt es, daß Sie keine Anzeige erstattet haben? Das wäre doch Ihre Pflicht gewesen!“
„Effendi, meine erste Pflicht ist, mir das Leben zu erhalten. Ich will nicht auch aufgehängt werden.“
„Sie wären aber von der Polizei ja doch nicht verraten
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