14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
worden!“
„Herr, Sie wohnen wohl noch nicht lange in Stambul? Als ich durch das Astloch blickte, habe ich vornehme Herren gesehen; ich habe auch Derwische und Khawassen erkannt. Es gibt manchen hohen Mansubli (Beamter), dem der Großherr kein Gehalt bezahlt und der deshalb nur von dem Bakschisch lebt, welches er überall herauszupressen sucht. Und was soll ein solcher Mann tun, wenn auch das Bakschisch nicht hinreichend ist? Wer Ihren Nachbar anzeigt, der kommt wohl grad zu einem Karawulder (Polizeiwachtmeister) oder Kadi, welcher mit da drüben in der Kammer gesessen hat, und ist es ganz sicher um ihn geschehen. Nein, ich weiß nun, was in jenem Haus vorgeht, und werde mich nicht weiter darum kümmern. Nur Ihnen allein habe ich es mitgeteilt, und ich hoffe, daß Sie sich von mir warnen lassen!“
Ich hatte nun genug erfahren und hütete mich, noch weiter in Baruch zu dringen. Ich hegte jetzt die Überzeugung, daß ich selbst mit meinen Gefährten mich in Gefahr befand. Der Grieche erfuhr jedenfalls, daß er eine neue Nachbarschaft bekommen habe; er erkundigte sich auf alle Fälle nach uns und ließ uns aufmerksam beobachten. Dies letztere war ihm sehr leicht und konnte geschehen, ohne daß wir es merken mußten, da er nur durch eine Bretterwand von uns getrennt war. Des Tages über durften wir uns nur unter großer Vorsicht in den Hof begeben, denn es war ja möglich, daß uns jemand sah, der uns von früher kannte. Deshalb war es gut, daß ich Baruch unsere Bedienung übertragen hatte; auf diese Weise konnten wir ruhig in der Wohnung steckenbleiben.
Meine Gefährten hatten vielleicht das Licht brennen lassen. Das konnte durch irgendeine Ritze hinüber in das Nachbarhaus scheinen, oder sie sprachen an einem Ort zusammen, wo sie von drüben gehört werden konnten. Darum litt es mich nicht länger bei dem Juden, und ich kehrte nach Hause zurück. Vorher aber instruierte ich noch Baruch, wie er sich zu verhalten habe, falls er nach uns gefragt werde. Er hatte zu sagen, ein armer Schreiber, ein Hammal und ein noch ärmerer Araber hätten das Logis inne, also drei Männer, welche genug mit sich selbst zu tun hätten. Da die Wohnungen zusammenstießen, so brauchte ich, wenn ich des Juden bedurfte, nur an die Wand zu pochen; er mußte es hören.
Als ich unsere Vordertür erreichte, war sie nur angelehnt, und Omar stand auf der Wache. Er sagte mir, daß bereits mehrere Personen das Nachbarhaus betreten hätten. Dieselben seien durch das Loch neben dem Eingang nach ihrem Begehr gefragt worden und hätten dann mit dem Wort ‚El Nassr‘ geantwortet. Ich bat ihn, das Haus zu verschließen und mir nach der Wohnung zu folgen. Halef befand sich im Hof; er hatte nichts gesehen und gehört und kam mit uns in die Wohnung. Hier brannte kein Licht, und ich zog es vor, im Dunkeln zu bleiben.
Nachdem ich ihnen meine Unterhaltung mit Baruch erzählt hatte, untersuchte ich die rechte Wand des Selamlik und fand sehr leicht das Brett, welches sich verschieben ließ. Ich zog es beiseite und langte mit der Hand dahinter. In der Entfernung einer Balkenbreite fühlte ich die Bretterwand des Nebenhauses und zugleich das entsprechende Brett derselben. Ich schob auch dieses leise, ganz leise fort und bemerkte, daß der dahinterliegende Raum vollständig dunkel sei. Ich brachte also die Wand wieder in ihre vorige Ordnung, und dann zogen wir uns die Strohsäcke und Decken herbei, um im Finstern zu warten, ob wir vielleicht etwas erlauschen könnten.
So mochten wir wohl über eine Stunde gesessen haben, indem wir uns nur flüsternd unterhielten, als sich drüben ein Geräusch vernehmen ließ. Ich saß hart vor dem Brett und schob es zur Seite. Ich hörte schwere Schritte von mehreren Männern, und ein Ächzen; dann erklang eine Stimme:
„Hierher! So! Hassan mag sich zum Gehen fertig machen!“ Und nach einer Pause fuhr die Stimme fort: „Kerl, du kannst doch schreiben?“
„Ja“, hörte ich antworten.
„Hast du Geld in deinem Haus?“
„Du verlangst Geld! Was habe ich euch getan, daß ihr mich hierher lockt und dann bindet?“
„Getan? Nichts, gar nichts! Deinen Geldbeutel, Uhr und Ringe, auch deine Waffen haben wir, aber das ist noch nicht genug. Wenn du nicht geben kannst, was wir verlangen, so findet man dich morgen früh im Wasser.“
„Allah kerihm! Wie viel verlangt ihr?“
„Du bist reich; fünftausend Piaster ist nicht zu viel für dich.“
„Es ist zu viel, denn ich habe sie nicht.“
„Wie viel hast du
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