14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
leichten Tüfenks der großherrlichen Vaterlandsverteidiger. Schon der erste Stoß mit dem stark mit Eisen beschlagenen Kolben gab eine Bresche; noch drei wuchtige Hiebe, und die Tür lag in kleinen Trümmern, uns aber empfing in demselben Augenblick eine Salve von mehr als zehn Schießwaffen. Mehrere Soldaten stürzten nieder, ich aber, der ich wegen der Kolbenhiebe zur Seite an der Mauer gestanden hatte, blieb unversehrt. Eben sah ich, daß der Offizier mit erhobener Waffe in den Raum drang, und wollte ihm folgen, als ich horchend stehenblieb.
„Sihdi, Hilfe, schnell, schnell!“ hörte ich trotz des Lärms die Stimme Halefs vom Hof herauftönen.
Dies zeigte, daß der brave Hadschi sich in einer nicht gewöhnlichen Gefahr befinde. Natürlich mußte ich zu ihm. Wieder durch die Zimmerreihe nach unserem Wohnhaus, durch dessen Stuben die Treppe hinab in den Hof: dieser Weg war zu lang; da konnten sie mir inzwischen den guten Halef erschlagen. Schon hörte ich seinen Ruf zum zweitenmal und dringender; ich sprang also an die Holzwand, welche an der Seite unseres Hofes stand, und stieß mit dem Kolben gleich einige Bretter hinaus.
„Halte aus, Halef! Ich komme!“ rief ich hinab.
„Schnell, Sihdi, ich habe ihn!“ tönte es wieder herauf.
Die alten morschen Bretter folgen hinab; drunten herrschte tiefe Finsternis, aber Schüsse blitzen, und wirre, wilde Flüche erschollen. Da gab es kein Zaudern; ich holte aus und sprang hinab, in das Dunkel hinein. Es war zwar nicht besonders hoch, aber ich kam doch sehr unsanft auf dem Boden an. Hurtig raffte ich mich auf.
„Halef, wo bist du?“ rief ich.
„Hier an der Tür!“
Wahrhaftig! Der tapfere Hadschi hatte sich meine an den Offizier gerichteten Worte zu Herzen genommen, und statt uns in das Nachbarhaus zu folgen, war er hinunter an unsere Tür geeilt. Die in dem hintersten Zimmer zusammengedrängten Männer hatten auch wirklich die dünne Wand hinausgeschlagen und waren hinunter in unseren Hof gesprungen. Die Hälfte derselben hatte sich bereits unten befunden, als es mir oben gelang, die Tür zu zerschlagen. Sie hatten durch unser Haus fliehen wollen, waren aber auf Halef getroffen, der, anstatt sich hinter die Tür in den Flur zu postieren, sie offen und kühn vor derselben empfangen hatte. Die Schüsse, welche ich gehört hatte, waren auf ihn gerichtet gewesen; ob ihn einer derselben getroffen hatte, konnte ich nicht sehen, aber er stand noch aufrecht da und verteidigte sich mit seiner langen, umgekehrten Flinte.
Es ist etwas Eigenes um so einen nächtlichen Nahkampf. Die Sinne schärfen sich auf das Doppelte ihres gewöhnlichen Vermögens; man sieht, was man sonst nicht sehen würde, und ein gewisser Instinkt, nach welchem man in solchen Augenblicken der Gefahr handelt, und zwar augenblicklich handelt, besitzt die Überlegenheit eines wohldurchdachten Entschlusses. Mein Kolben brachte den Hadschi schnell aus der Gefahr; ich sah, daß seine Angreifer unter unseren Schlägen stürzten oder zur Seite flohen; aber ich hatte nur an eines zu denken:
„Wen hast du denn, Halef?“ fragte ich ihn mitten im Kampf.
„Abrahim Mamur!“
„Ihn? Ah! Wo?“
„Zu meinen Füßen. Ich habe ihn niedergeschlagen.“
„Endlich! Bravo!“
Die wenigen Männer, welche uns noch belästigten, waren bald nach rechts und links auseinandergestoben. Ich bekümmerte mich nicht um sie und bückte mich nieder, um Abrahim Mamur in Augenschein zu nehmen. Es herrschte noch großes Getümmel im Hof, denn es sprangen noch immer Leute von oben herab, welche vor den Soldaten flohen; ich achtete nicht auf sie, denn Abrahim war mir wertvoller als alle anderen. Ich zog ein Zündholz hervor, strich es an und leuchtete dem Daliegenden in das Gesicht.
„O weh, Halef; er ist es nicht!“
„Nicht, Sihdi? Unmöglich! Ich habe ihn beim Blitz eines Schusses deutlich erkannt!“
„So ist er entkommen, und du hast einen anderen niedergestreckt. Wo ist er hin?“
Ich erhob mich und blickte wieder im Hof umher. Da sah ich die Flüchtigen über die niederen Planken klettern, welche eine zwischen dem Haus und dem Schuppen befindliche Lücke ausfüllten, die nach dem Hof Baruchs führte. Auch Halef hatte dies sofort bemerkt.
„Ihnen nach, Sihdi!“ rief er. „Er ist da hinüber!“
„Sicher! Aber so bekommen wir ihn nicht. Er muß ja an unserer Vordertür vorbei. Komm!“
Ich sprang durch den Flur nach vorn und öffnete die Tür. Es eilten mehrere Gestalten vorüber, die aus Baruchs Haus
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