14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
kamen; es waren drei oder vier. Ein fünfter, der ihnen folgte und uns nicht bemerkte, rief:
„Halt! Bleibt beisammen!“
Das war er! Das war seine Stimme, jene Stimme, mit welcher er in jener Fluchtnacht am Nil seine Diener zusammengerufen hatte. Auch Halef erkannte sie und rief unklugerweise laut:
„Er ist's, Sihdi! Ihm nach!“
Abrahim hörte es und rannte, ohne sich vorher erst umzublicken, davon; wir hasteten hinter ihm her. Er bog, um uns zu entkommen, um mehrere Ecken und tauchte in verschiedene dunkle, winkelige Gäßchen; aber ich war stets höchstens fünfzehn Schritte hinter ihm, und Halef hielt gleichen Schritt mit mir. Der Sprung in den Hof war doch nicht ohne Einfluß auf mich geblieben, sonst hätte ich den Menschen sicher bald erreicht. Er war ein guter Läufer, und meinem Halef wollte der Atem ausgehen.
„Bleib stehen und schieße ihn nieder, Sihdi!“ keuchte er.
Die Befolgung dieses Zurufs wäre mir ein Leichtes gewesen, aber ich tat es nicht. Es hatten andere ein größeres Recht auf den Menschen als ich, und ich wollte ihn lebendig haben. Die Jagd dauerte also fort. Da öffnete sich die Gasse, durch die wir jetzt gelaufen waren, und das Wasser des goldenen Hornes lag vor uns. Gar nicht weit vom Ufer erkannte man trotz des nächtlichen Dunkels die Inselreihe, welche zwischen Baharive Keui und Sudludje im Wasser liegt.
„Rechts, Halef!“ rief ich.
Er gehorchte, und ich sprang links hinüber. So hatten wir den Flüchtling zwischen uns und dem Wasser. Er blieb einen Augenblick stehen, um sich nach uns umzusehen; dann nahm er einen Anlauf gegen das Ufer und sprang in das Wasser, unter dessen Oberfläche er verschwand.
„O waïh!“ rief Halef. „Aber er soll uns doch nicht entkommen!“
Er legte seine Flinte an, um zu schießen.
„Schieß nicht“, riet ich ihm. „Du zitterst vom Laufen! Ich werde ihm nachspringen.“
„Sihdi, wenn es diesem Bösewicht gilt, so zittere ich nicht!“ war die Antwort.
Da tauchte der Kopf des Schwimmenden aus der Flut empor – der Schuß krachte – ein Schrei erscholl, und der Kopf verschwand unter lautem Gurgeln wieder in den Wellen.
„Ich habe ihn getroffen!“ rief der Hadschi. „Er ist tot. Siehst du, Sihdi, daß ich nicht gezittert habe!“
Wir warteten noch eine Weile, aber Abrahim Mamur kam nicht wieder empor, und wir beide waren überzeugt, daß der Schuß ein wohlgezielter gewesen sei. Nun kehrten wir wieder nach dem Kampfplatz zurück.
Zwar hatte ich während unseres Dauerlaufes auf die Richtung geachtet und mir auch möglichst die Zahl und Lage der Gäßchen gemerkt, aber es fiel uns dennoch nicht leicht, uns zurechtzufinden, und es dauerte eine geraume Weile, ehe wir unsere Wohnung erreichten.
Dort hatte sich unterdessen vieles verändert. In der Gasse war es ziemlich hell geworden, denn ihre Bewohner und auch Leute aus den Nachbargassen standen mit Papierlaternen da. Ein Teil der Soldaten bildete Kordon vor den drei Häusern, und der andere Teil suchte entweder noch nach versteckten Flüchtlingen in den Höfen, oder er bewachte die Gefangenen, welche man gemacht hatte. Gefangen aber nannte man eine jede Person, welche heut in dem Haus des Griechen gewesen war. Dieser selbst war tot. Der Hauptmann hatte ihm mit einem Säbelhieb den Kopf gespalten. Sein Weib aber stand bei den Mädchen und Knaben, welche man zusammengebunden hatte. Auch die Berauschten hatte man herbeigeschafft. Im Tumult des Kampfes war ihnen die Besinnung so ziemlich zurückgekehrt. Einige Soldaten waren tot, mehrere verwundet, und es stellte sich leider heraus, daß auch mein wackerer Halef einen Streifschuß in den Vorderarm und einen, glücklicherweise ungefährlichen, Stich gleich daneben erhalten hatte. Gefangen hatte man nur vier Männer, von denen sicher zu sein schien, daß sie Mitglieder der Gaunergesellschaft wären. Sechs waren getötet worden, und den übrigen war es geglückt, zu entkommen. Omar, der sich am meisten vorgewagt hatte, lehnte sehr verdrießlich an der Treppe; er hatte Abu el Nassr nicht gefunden und sich dann um das Weitere nicht gekümmert.
Der alte Baruch war schon schlafen gegangen, als geschossen wurde. Gleich darauf hatte man seine Flurtüren eingeschlagen, und er war vor Angst in seiner Stube eingeschlossen geblieben. Jetzt erst kam er hervor und schlug vor Verwunderung die Hände zusammen, als er hörte, was geschehen sei. Endlich hatte man alle Gefangenen zum Transport zusammengekoppelt, und nun gab der Offizier seinen
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