14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
besucht, um ein Gelübde zu erfüllen; daher nennt er sich den Diener Myrrhattas.“
„Warum wohnt er bei dir?“
„Ich selbst habe ihn eingeladen, bei mir zu bleiben. Er will in Brussa einen großen Bazar errichten und wird hier bedeutende Einkäufe machen.“
„Wohnt noch ein anderer Fremde bei dir?“
„Nein.“
„Wann kehrt er zurück?“
„Heute abend.“
„So wird er heute abend unser Gefangener sein!“
„Allah kerihm! Wie meinst du das? Dieser fromme Moslem ist ein Mann nach Allahs Wohlgefallen. Warum wollt ihr in gefangennehmen?“
„Weil er ein Betrüger und noch etwas viel Schlimmeres ist. Er hat bemerkt, daß du ein frommer Diener Allahs bist, und hat, um dir wohlzugefallen, die Maske der Frömmigkeit vor sein Angesicht gelegt. Er ist kein anderer, als der Mann, welcher Senitza, das Weib Islas, aus ihrer Heimat entführte. Laß dir alles von Isla erzählen!“
Hulam erschrak, und Isla erzählte. Auch als er geendet hatte, wollte der alte Handelsherr es noch nicht glauben, daß er es mit einem Verbrecher zu tun habe. Er konnte nicht glauben, daß eine Maske so geschickt getragen werden könne.
„Seht ihn euch erst an und sprecht mit ihm“, sagte er, „so werdet ihr sehen, daß ihr euch täuscht!“
„Wir brauchen gar nicht mit ihm zu sprechen“, warf Osco ein, „wir brauchen ihn nur zu sehen, denn ich kenne ihn, und Isla kennt ihn auch.“
„Ihr braucht ihn weder zu sehen, noch zu sprechen“, fügte ich hinzu. „Ich bin gewiß, daß es Barud es Amasat ist. Abd el Myrrhatta ließ sich auch Abrahim Mamur in Konstantinopel nennen, und ich vermute fast, daß auch Hamed el Amasat in Skutari den gleichen Namen angenommen hat.“
„Aber mein Gast kann doch der richtige Abd el Myrrhatta sein!“ warf Hulam ein.
„Das ist allerdings eine Möglichkeit, aber nicht wahrscheinlich. Wir werden also bis heute abend warten müssen.“
Weiter war nichts zu sagen und auch nichts zu tun. Wir erhielten nach alter, patriarchalischer Sitte ein jeder ein Zimmer und reine Kleider, welche wir anlegten, nachdem wir ein Bad genommen hatten. Dann versammelten wir uns zum Mahl, welches ein dem Reichtum des Hauses angemessenes war. Mit Ungeduld erwarteten wir dann den Abend, indem wir uns die Zeit bis dahin mit Gespräch und Schachspiel zu verkürzen suchten; denn auszugehen war nicht geraten, da ich es für sehr wahrscheinlich hielt, daß Barud el Amasat nur vorgegeben habe, nach Hadschi Bergas zu reiten. Jedenfalls hatte er Genossen in der Stadt, bei denen seine Gegenwart wohl etwas nötiger war, als in dem kleinen Ort, wo er gar nichts zu suchen hatte.
Endlich wurde es dunkel, und wir zogen uns, um beisammen zu sein, in das Zimmer zurück, welches Isla bewohnte. Hulam hatte uns gesagt, daß er mit seinem Gast im Selamlik zu Abend speisen werde, und so beschlossen wir, daß er dann während des Essens von Isla und Osco überrascht werden solle, während wir drei anderen dafür sorgen wollten, daß er nicht entfliehen könne.
Wohl noch an die zwei Stunden vergingen, ehe wir den Schritt eines Pferdes vom Hof heraufklingen hörten, und eine Viertelstunde später benachrichtigte uns einer der Diener, daß der Herr mit seinem Gast sich zum Abendmahl gesetzt habe. Wir gingen hinab.
Das Tor war verschlossen, und der Wächter desselben hatte die Anweisung erhalten, keinen Menschen hinauszulassen. Wir näherten uns mit leisen Schritten dem Selamlik, welches jetzt durch eine Ampel hell erleuchtet wurde, und nahmen zu beiden Seiten hinter den Pfeilern Platz. Wir konnten jedes Wort hören, welches von den beiden Essenden gesprochen wurde. Hulam, der scharf aufmerkte, hatte doch unsere Annäherung wahrgenommen und gab nun dem Gespräch eine auf unser Vorhaben bezügliche Wendung. Er brachte die Rede auf Konstantinopel und frage bei dieser Gelegenheit:
„Bist du oft in Stambul gewesen?“
„Einige Male“, antwortete der Gefragte.
„So kennst du die Stadt ein wenig?“
„Ja.“
„Ist dir der Stadtteil bekannt, welchen man Baharive Keui nennt?“
„Ich glaube, von ihm gehört zu haben. Liegt er nicht oberhalb Eyub an der linken Seite des goldenen Hornes?“
„Ja. Dort hat sich jüngst etwas ganz Merkwürdiges zugetragen. Man hat nämlich eine ganze Gauner- und Mörderbande gefangengenommen.“
„Allah 'l Allah!“ rief der Mann erschrocken. „Wie ist das zugegangen?“
„Diese Menschen hatten ein Haus, in welches nur diejenigen Zutritt fanden, welche das Wort ‚en Nassr‘ sagten,
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