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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Reichtum. Auch die Zahl der herbeieilenden Diener ließ ebenso auf denselben schließen.
    „Wo ist der Herr?“ fragte Isla einen Mann, welcher ihn mit tiefer Ehrerbietung begrüßte und, wie ich später erfuhr, der Hausmeister war.
    „Im Ischlik (Arbeitsstube) bei seinen Büchern.“
    „Führe diese Männer in das Selamlik (Empfangszimmer), und sorge dafür, daß sie gut bedient werden. Auch die Pferde müssen gut untergebracht werden!“
    Er nahm Jacub Afarah bei der Hand und begab sich nach der Arbeitsstube des Hausherrn. Wir anderen wurden nach einem Raum geführt, welcher die Größe eines kleinen Saales hatte. Die vordere Seite bildete eine offene, von Säulen getragene Veranda, und die Wände der drei übrigen Seiten waren, golden auf blauem Grund, mit Koransprüchen verziert.
    Wir ließen uns trotz des Staubes, welcher an unseren Kleidern haftete, auf grünsamtene Diwans nieder, und ein jeder erhielt eine Wasserpfeife und den Kaffee in Täßchen, welche anstatt der Fingans in silbernen Dreifüßen staken. Das alles hatte den Anschein eines gediegenen Luxus, von welchem sich abermals auf den Reichtum des Besitzers schließen ließ.
    Wir hatten kaum den Kaffee gekostet, so erschienen Afarah und Isla mit dem Hausherrn. Dieser war eine höchst ehrwürdige, imposante Erscheinung, mit einem Bart, welcher an Länge und Fülle demjenigen von Mohammed Emin glich. Der Eindruck, welchen er machte, nötigte unwillkürlich zum Aufstehen, auch wenn dies nicht von der Sitte gefordert worden wäre. Wir erhoben uns.
    „Sallam aaleïkum!“ grüßte er, indem er die Hände wie zum Segen erhob. „Seid willkommen in meinem Haus und denkt, daß es das eure sei!“
    Er ging von einem zum anderen, um uns die Hand zu reichen, dann ließ er sich mit seinen beiden Verwandten bei uns nieder. Auch ihnen wurden Pfeifen und Kaffee gebracht, und dann gab er einen Wink, auf welchen sich die Diener zurückzogen. Darauf wurden wir ihm von Isla vorgestellt. Er betrachtete mich eine längere Zeit und reichte mir dann abermals die Hand, die er eine Minute lang festhielt.
    „Du weiß vielleicht noch nicht, daß du mir bekannt bist, Effendi“, sagte er. „Isla hat mir viel von dir erzählt. Er hat dich lieb, und so hast du auch mein Herz besessen, obgleich wir uns noch nicht gesehen haben.“
    „Herr, deine Worte machen meine Seele leicht“, antwortete ich. „Wir befinden uns nicht in der Wüste oder bei den Weideplätzen eines Beduinenvolkes, und es ist daher nicht überall gewiß, daß man willkommen geheißen wird.“
    „Ja, die schönste Sitte unserer Väter verliert sich von Jahr zu Jahr immer mehr; sie verschwindet in den Städten und zieht sich klagend in die Wüste zurück. Die Wüste ist der Geburtsort der Hilfsbedürftigkeit, aber Allah läßt auch gerade in ihr die Palme der Bruderliebe wachsen. In der großen Stadt fühlt sich der Fremdling verlassener als in der Sahara, wo kein Dach ihm den Anblick von Allahs Himmel raubt. Du warst in der Sahara, wie ich vernommen habe; hast du nicht gefühlt, daß ich die Wahrheit sage?“
    „Allah ist überall, wo der Mensch den Glauben an ihn im Herzen trägt. Er wohnt in den Städten, und er blickt auf die Hammada; er wacht über den Wassern, und er rauscht durch das Dunkel des Urwaldes; er schafft im Inneren der Erden und in den hohen Lüften; er regiert den leuchtenden Käfer und die blitzenden Sonnen; du hörst ihn im Jubel der Lust und in dem Ruf des Schmerzes; sein Auge glänzt aus der Träne der Freude und schimmert aus dem Tropfen, mit welchem das Leid die Wange befeuchtet. Ich war in Städten, wo Millionen wohnen, und ich war in der Wüste, von jeder Wohnung weit entfernt, aber niemals habe ich gefürchtet, allein zu sein, denn ich wußte, daß Gottes Hand mich hielt.“
    „Effendi, du bist ein Christ, aber ein frommer Mann; du bist wert, ein Moslem zu sein, und ich ehre dich, als ob die Lehre des Propheten die deinige sei. Isla sagte mir, daß ihr kommt, um mich vor einem schweren Verlust zu bewahren. Sprich du für die anderen!“
    „Hat er dir nichts Näheres gesagt?“
    „Nein, denn ich mußte eilen, euch willkommen zu heißen.“
    „So sage mir, ob ein Fremdling seit einiger Zeit in deinem Haus wohnt?“
    „Es wohnt ein Fremder hier, ein frommer Mann aus Koniëh, der aber heute nicht in Adrianopel ist. Er ist nach Hadschi Bergas geritten.“
    „Aus Koniëh? Wie nennt er sich?“
    „Abd el Myrrhatta ist sein Name. Er hat das Grabmal des berühmten Heiligen Myrrhatte

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