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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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unseren Frauen die Seele genommen und sie zu Sklavinnen der Sinneslust gemacht; du hast dadurch unsere Kraft gebrochen, unser Herz versteinert, unsere Länder verödet und alle jene, die dir folgen, um das wahre Glück betrogen!“
    Er hatte sich erhoben und rief seine Anklage gegen den Propheten mit lauter Stimme aus. Ein Glück, daß keiner seiner Leute ihn zu hören vermochte! Erst nach einer beträchtlichen Pause wandte er sich wieder zu mir:
    „Kennst du den Weg von hier nach Bagdad?“
    „Ich bin ihn noch nie geritten, aber ich werde mich dessenungeachtet nicht verirren. Wir können zwei Richtungen einschlagen: die eine führt nach den Hamrin-Bergen im Südwest, und die andere bringt uns längs des Djalah bis hinab nach Ghadhim.“
    „Wie weit, denkst du, daß es von hier bis Ghadhim ist?“
    „Auf dem ersteren Weg können wir in fünf, auf dem andern aber bereits in vier Tagen dort angelangen.“
    „Führen diese Wege durch bewohnte Gegenden?“
    „Ja, und eben deshalb scheinen sie mir die besten zu sein.“
    „So gibt es also noch andere Wege?“
    „Allerdings; aber wir müssen durch Strecken reiten, in denen nur die räuberischen Beduinen umherschweifen.“
    „Von welchem Stamm sind sie?“
    „Es sind meist Dscherboa, über deren Grenzen zuweilen wohl auch einmal ein Trupp der Beni Lam herüberirrt.“
    „Fürchtest du sie?“
    „Fürchten? Nein! Aber der Vorsichtige wählt unter zwei Wegen stets den ungefährlicheren. Ich habe einen Paß des Großherrn bei mir, und dieser wird am Djalah und im Westen dieses Flusses respektiert, bei den Dscherboa aber nicht.“
    „Und dennoch möchte ich mich für den einsamen Weg entscheiden, da ich ein Flüchtling bin. So nahe der persischen Grenze, möchte ich mich von den Verfolgern doch nicht erreichen lassen.“
    „Vielleicht ist deine Ansicht die richtige; aber bedenke, daß der Weg durch die Steppe, deren Vegetation jetzt unter der Sonnenglut erstorben ist, für die Frauen sehr beschwerlich sein wird.“
    „Sie fürchten weder Hunger noch Durst, weder Hitze noch Frost; sie fürchten nur das Eine, daß ich ergriffen werde. Ich habe Wasserschläuche bei mir und Speisevorräte auf wenigstens acht Tage für uns alle.“
    „Und kannst du dich wirklich auf deine Leute verlassen?“
    „Vollständig, Emir.“
    „Gut, so wollen wir durch das Gebiet der Dscherboa reiten; Allah wird uns schützen. Übrigens werden wir, sobald wir die Ebene erreichen, sehr schnell vorwärts kommen, während deine Kamele das jetzige bergige Terrain nur mühevoll überwinden. So sind wir also einig und brauchen nur zu warten, bis unsere Wunden den Aufbruch erlauben.“
    „Nun erfülle mir eine Bitte“, sagte er zaghaft. „Ich habe mich bei meinem Aufbruch mit allem Nötigen sehr reichlich versehen. Auf weiten Reisen verschwinden die Kleider vom Körper, und da ich wußte, daß ich bis Hadramaut keinen guten Bazar finden würde, so habe ich auch einen Vorrat an Gewändern mitgenommen. Eure Kleider sind nicht mehr euer würdig, und ich bitte dich, von mir zu nehmen, was ihr braucht!“
    Dieser Vorschlag war mir ebenso willkommen als bedenklich. Hassan Ardschir-Mirza hatte recht: wir drei hätten uns in keinem zivilisierten Ort sehen lassen können, ohne für echte Vagabunden gehalten zu werden; aber ich wußte auch, daß der Engländer sich nichts schenken lassen würde, und sodann war es ja auch für mich ein Ehrenpunkt, die Freundschaft des Persers nicht gleich am ersten Tag in Anspruch zu nehmen. Übrigens war es mir auch sehr gleichgültig, in meinem nichts weniger als hoffähigen Gewande von einem Araber gesehen zu werden. Ein echter Beduine taxiert den Mann nach seinem Pferd und nicht nach seinem Mantel, und in dieser Beziehung hatte ich die Überzeugung, den Neid eines jeden zu erregen. Höchstens konnte es einem Wüstensohn beikommen, mich für einen Pferdedieb zu halten, und dies war nach seiner Anschauung ja mehr eine Ehre als eine Schande für mich. Ich antwortete also dem Mirza:
    „Ich danke dir! Ich weiß, wie gut du es mit uns meinst, aber ich bitte dich, uns erst in Ghadhim wieder über dieses Anerbieten sprechen zu lassen. Für die Dscherboa sind unsere Kleider noch gut genug, und für die wenigen Tage bis in die Nähe von Bagdad werden wir sie schon noch tragen können. Ich denke, daß wir …“
    Ich hielt inne, denn es war mir, als hätte ich in dem Maulbeergesträuch, das hinter den beiden Eichen stand, ein Geräusch gehört.
    „Laß dich nicht stören,

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