14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
dieser Gegend zu befinden; denn ihre Unterhaltung war eine so laute, daß man sie sicher jenseits des Flusses noch hören konnte. Eben, als wir unser Versteck erreicht hatten, fragte der Pendschahbaschi:
„Wirst du ihn lebendig ergreifen?“
„Wenn er sich lebendig fangen läßt, ja.“
„Und ihn lebendig zurückbringen?“
„Ich bin kein Tor. Sagt einmal, ihr Männer, wollt ihr ihn tot oder lebendig haben!“
„Tot!“ rief es im Kreis.
„Natürlich! Wir haben den Befehl, ihn zu verfolgen, und, wenn wir ihn nicht lebendig fangen, doch seinen Kopf zu bringen. Führen wir ihn lebendig zurück, so müssen wir auch alles, was er bei sich hat, übergeben. Bringen wir aber seinen Kopf, so werden wir nach allem andern nicht gefragt.“
„Er soll all sein Geld und seine Kostbarkeiten aufgeladen haben“, bemerkte der Lieutenant.
„Ja, dieser Sohn eines verfluchten Serdar (Obergeneral) war sehr reich; er hat acht oder zehn Kamele mit seinen Schätzen bepackt; wir werden eine kostbare Beute machen und viel zu teilen haben.“
„Doch sage, Susbaschi, was wirst du tun, wenn sich der Mirza unter den Schutz eines Scheiks oder eines türkischen Beamten begibt?“
„Ich werde nach diesem Schutz gar nicht fragen; aber dann dürfen wir nicht verraten, daß wir Perser sind; versteht ihr wohl? Übrigens wird er gar nicht Zeit haben, sich unter einen solchen Schutz zu stellen, denn schon morgen oder übermorgen werden wir ihn ergreifen. Wir brechen mit der Morgenröte auf und werden, wie bisher, Zeichen finden, die uns ganz sicher und untrüglich leiten. Dieser Dummkopf Hassan Ardschir-Mirza glaubt, weil Saduk nicht reden kann, so könne er auch nicht schreiben. Die Zeichen, die er uns gemacht hat, sind gleichfalls eine deutliche Schrift. Jetzt legt euch hin, ihr Hunde, denn wir haben nicht viel Zeit mehr zur Ruhe.“
Sie folgten augenblicklich diesem Befehl, und mancher mochte bald träumen von dem Glanz der Schätze, von denen er erwartete, daß sie sich bald in seiner Hand befinden würden. Unser Lauschen hatte mir außer dem taktischen Nutzen auch noch einen andern gebracht: ich wußte nun, daß der Vater des Mirza ein Serdar gewesen war, und hielt es also für gewiß, daß Hassan Ardschir den Rang eines Generals bekleidet hatte. Es mußten bedeutende Personen sein, vor deren Rache er sich zur Flucht gewandt hatte.
Als die Ihlats sich in ihre Decken gehüllt hatten, machten wir uns leise davon.
„Emir“, begann der Mirza, als wir aus der Hörweite waren, „ich habe diesen Susbaschi und diesen Pendschahbaschi mit vielen Wohltaten überhäuft. Diese beiden müssen sterben!“
„Sie sind deiner Beachtung gar nicht wert; sie sind Hunde, die man hinter dir hergehetzt hat; zürne nicht ihnen, sondern zürne ihren Herren!“
„Sie wollen mich ermorden, um meine Schätze zu erhalten.“
„Sie wollen es, aber sie werden es nicht tun. Wir wollen in unserm Lager darüber sprechen. Schleiche dich nun allein zurück; ich werde bald nachkommen.“
Er entfernte sich nur widerwillig. Als ich von seinen leisen Bewegungen nichts mehr vernahm, schlich ich mich hinüber zu Halef und gab ihm flüsternd die nötigen Verhaltungsmaßregeln. Dann machte ich einen Bogen um den Ruheplatz der Ihlats, so daß ich zur rechten Seite desselben den Saum der Sträucher und den Fluß erreichte, und schritt hierauf in südlicher Richtung weiter. Nach ungefähr zwei Minuten brach ich eine kleine Erle um, so daß ihr Gipfel nach Süden zeigte, und nach weiteren fünf und zehn Minuten tat ich zweimal ganz dasselbe. Bei dem letzten Zeichen machte der Fluß eine scharfe Biegung, die mir für meine Absichten sehr zu statten kam. Alsdann kehrte ich in unser Lager zurück.
Ich hatte zu meiner kleinen Exkursion doch eine halbe Stunde gebraucht und fand den Mirza bereits in Sorge um mich. Auch der Engländer fragte:
„Wo lauft Ihr herum, Sir? Sitze da wie ein Waisenknabe, um den sich niemand kümmert; habe diese Sache satt! Well!“
„Beruhigt Euch! Ihr werdet bald Beschäftigung erhalten.“
„Schön! Gut! Schlagen wir die Kerls tot?“
„Nein; aber wir werden sie ein wenig an der Nase herumführen.“
„Freut mich! Sollten dabei nur solche Nasen haben wie ich. Yes! Wer wird dabei sein?“
„Nur Ihr und ich, Sir.“
„Desto besser. Wer allein arbeitet, hat auch die Ehre allein. Wann geht die Geschichte los?“
„Kurz vor Anbruch des Tages.“
„Erst? Dann lege ich mich noch ein wenig auf das Ohr.“
Er wickelte sich ein und
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