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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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statten, und auch, was ich vorher nicht gedacht hätte, die Ebene wurde zurückgelegt, ohne daß wir eine feindliche Begegnung mit Arabern hatten, was allerdings mehr unserer Vorsicht als dem guten Willen der Beduinen zuzuschreiben war.
    Hinter Beni Seyd, vier Wegstunden nordöstlich von Bagdad, machten wir an einem Kanal Halt. Von hier aus sollte ich nach Ghadhim reiten, um mit Mirza Selim Agha, dem Hassan Ardschir seine Habe anvertraut hatte, zu sprechen. Unser kleiner Trupp machte an einem Platz halt, an dem nicht so leicht eine Störung zu befürchten war. Ich half vorerst das Lager fertig stellen und erhielt sodann den Brief Hassans, der mir als Beglaubigung dienen sollte.
    „Werde ich Selim Agha wirklich bereitwillig finden?“ fragte ich ihn.
    „Er hat dir zu gehorchen, als ob ich selbst an deiner Stelle wäre. Du übernimmst alles, was er hat, und sendest ihn, sobald du seiner nicht mehr bedarfst, mit dem Mann, den ich dir mitgebe, heraus zu mir. Ich aber werde hier warten, bis du selbst zurückkehrst. Du wirst alle meine Sachen verkaufen, und was du tust, das ist mir recht.“
    Der Engländer sah diese Vorbereitung zum Weiterritt und meinte: „Nach Bagdad, Master? – Ich gehe mit!“
    Ich hatte nichts dagegen einzuwenden. Aber noch einer wollte mit, nämlich Halef. Dies ging jedoch nicht an, da er zum Schutz des Lagers nötig war.
    Wir ritten ab und erreichten nach zwei Stunden die dritte Krümmung des Tigris oberhalb Bagdad, in deren Innerem Ghadhim jenseits des Flusses liegt. Wir schwenkten von dem Postweg, der nach Kerkuk, Erbil, Mossul und Diarbekir führt, rechts ab, ritten an der dort liegenden großen Ziegelei vorüber und ließen uns übersetzen. Durch freundliche Palmengärten erreichten wir nun Ghadhim, das ausschließlich von schiitischen Persern bewohnt wird.
    Dieser Ort steht auf ‚heiligem‘ Boden, denn dort befindet sich die Grabstätte des Imam Musa Ibn Dschafer. Dieser berühmte Mann hatte die Pilgerreise nach Mekka und Medina an der Seite des Kalifen Harun al Raschid gemacht. In letzterer Stadt begrüßte er die Grabstätte des Propheten mit den Worten: „Heil dir, Vater!“ während der Kalif es nur mit den Worten: „Heil dir, Vetter!“ getan hatte. „Wie, du willst mit dem Propheten näher verwandt sein als ich, der Nachfolger desselben!“ rief Harun zornig, und von dieser Zeit an haßte ihn Al Raschid ebenso, wie er ihn früher geachtet und bevorzugt hatte. Musa Ibn Dschafer ward in den Kerker geworfen, in welchem er sein Leben beschloß. Aber nach seinem Tod erhob sich über seinem Grab ein prächtiger Tempel, dessen Kuppel echt vergoldet ist, mit vier schönen Minarehs.
    Ghadhim ist ferner merkwürdig durch eine so spezifisch abendländische Institution, daß ihr Anblick in dieser Umgebung geradezu befremdend wirkt: es besitzt nämlich eine Pferdebahn, welche ihren Ausgangspunkt am Arsenal zu Bagdad hat. Sie wurde von dem reformfreundlichen Gouverneur Midhat Pascha erbaut, welcher später in Stambul eine so hervorragende Rolle spielte. Wäre dieser Mann von seinem Posten als Generalstatthalter von Irak nicht abberufen worden, so besäße Mesopotamien eine Eisenbahn, deren Zweck wäre, die Euphrat- und Tigrisländer über die Hauptorte Syriens hinweg mit Konstantinopel zu verbinden. Leider ist dieses hochwichtige Unternehmen bis auf den heutigen Tag Projekt geblieben. Mußte Midhat Pascha doch sogar die Interessenten seiner Pferdebahn mit Peitschenhieben zusammentreiben lassen: eine sehr deutliche Illustration der Stabilität des Mohammedanismus.
    Die Perser, welche Ghadhim bevölkern, sind meist Händler und Kaufleute, die täglich in Geschäften nach Bagdad kommen. Um unter dieser Bevölkerung den Agha zu finden, mußte ich mich nach einem Karawanenhof begeben, deren es in Bagdad viele und auch in Ghadhim einige gibt.
    Es war um die Mittagszeit und im Juli, und wir hatten ganz sicher fünfunddreißig Grad Hitze nach Reaumur. Eine fast undurchsichtige Luft lag über der Stadt, und wer uns begegnete, hatte das Gesicht verhüllt. In einer der Gassen begegnete uns ein Mann in reicher, persischer Kleidung; er ritt einen Schimmel, der ein Reschma trug, eines jener kostbaren persischen Geschirre, mit denen nur die Reichsten prunken können. Wir waren gegen den Mann allerdings die reinen Strauchdiebe.
    „Ez andscha, tschepu rast – packt euch fort, weicht rechts aus!“ rief er uns an, indem er eine Gebärde des Abscheus machte.
    Ich ritt zwar neben dem Engländer, aber die

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