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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Dieser viereckige Raum war an den Wänden mit weichen, dicken Polstern belegt; ein herrlicher Teppich bedeckte fast den ganzen Boden; auf einem der Polster lag ein massiv silbernes Kaffeezeug; daneben erblickte ich eine höchst kostbare Hukah (persische Wasserpfeife, ein Mittelding zwischen Nargileh und Tschibuk), und an den Wänden hing neben kostbaren Waffen eine Anzahl Tschibuks für etwaige Gäste. In einem altertümlichen Geschirr aus chinesischem Porzellan, das einen Drachen vorstellte, befand sich Tabak, und von der Mitte der Decke hing an silberner Kette eine Ampel herab, welche mit Sesamöl gefüllt war.
    Das war nach hiesigen Begriffen eine wahrhaft fürstliche Einrichtung, und es fiel mir gar nicht ein, zu glauben, daß alle diese Gegenstände das Eigentum des Agha seien.
    „Sallam aaleïkum!“ grüßte ich bei meinem Eintritt.
    Lindsay tat dasselbe, doch Selim antwortete nicht. Er nahm auf dem Polster Platz und klatschte in die Hände. Sofort erschien einer von den Männern, die ich in dem Hof gesehen hatte, und erhielt den Wink, die Hukah in Brand zu stecken. Dies geschah mit echt orientalischer Langsamkeit und Gewissenhaftigkeit, und wir standen während des ganzen feierlichen Vorgangs wie dumme Jungen an der Tür. Endlich war das glorreiche Werk vollbracht, und der Diener entfernte sich, jedenfalls um gleich hinter der Tür stehen zu bleiben und zu hören, was gesprochen würde. Jetzt endlich sah der Agha die Zeit gekommen, uns wieder seiner hohen Beachtung zu würdigen. Er blies einige bedeutungsvolle Rauchwolken empor und fragte:
    „Woher kommt ihr?“
    Diese Frage war vollständig überflüssig, da er durch den Diener bereits erfahren hatte, was zu ihrer Beantwortung diente; doch beschloß ich, um Bendas, der Schwester des Mirza, willen jede weitere Reibung möglichst zu vermeiden, und antwortete daher:
    „Wir sind Boten Hassan Ardschir-Mirzas.“
    „Wo befindet er sich?“
    „In der Nähe der Stadt.“
    „Warum kommt er nicht selbst?“
    „Aus Vorsicht.“
    „Wer seid ihr?“
    „Wir sind zwei Franken.“
    „Giaurs? Ah! Was tut ihr in diesem Land?“
    „Wir reisen, um uns die Städte, Dörfer und Menschen anzusehen.“
    „Ihr seid sehr neugierig. So eine Ungezogenheit kann nur bei den Kaffirs (Ungläubige) vorkommen. Wie kamt Ihr mit dem Mirza zusammen?“
    „Wir trafen ihn.“
    „Das weiß ich selbst! Wo traft ihr ihn?“
    „Droben in den kurdischen Bergen. Wir blieben in seiner Gesellschaft bis hierher. Ich habe einen Brief für dich.“
    „Es ist sehr leichtsinnig von Hassan Ardschir-Mirza, euch seinen Namen wissen zu lassen und solchen Leuten, wie ihr seid, einen Brief anzuvertrauen. Ich bin ein Gläubiger; ich darf ihn nicht aus euern Händen nehmen; gebt ihn dem Diener, den ich jetzt rufen werde!“
    Das war mehr als unverschämt; dennoch sagte ich mit ruhiger Stimme:
    „Ich halte den Mirza nicht für leichtsinnig und bitte dich, ihm dieses Wort selbst zu sagen. Übrigens hat er nie einer dritten Person bedurft, um irgend etwas aus unserer Hand zu nehmen.“
    „Schweig, Kaffir! Ich bin Mirza Selim Agha und tue, was mir beliebt! Kennt ihr alle Personen, welche bei dem Mirza sind?“
    Ich bejahte, und er examinierte weiter, ob Frauen dabei wären und wie viele.
    „Zwei Herrinnen und eine Dienerin“, antwortete ich.
    „Habt ihr ihre Gestalten gesehen?“
    „Mehr als einmal!“
    „Das war sehr unvorsichtig von dem Mirza. Das Auge eines Ungläubigen darf niemals auch nur auf dem Gewand eines Weibes ruhen!“
    „Sag dies dem Mirza selbst!“
    „Schweig, Unverschämter! Ich brauche deinen guten Rat nicht! Habt ihr auch die Stimmen der Frauen gehört?“
    Dieser Flegel stellte meine Geduld auf eine zu harte Probe.
    „In unserm Land fragt man nicht so auffällig nach den Frauen anderer. Ist dies hier nicht ebenso?“ erwiderte ich ihm.
    „Was wagst du?“ fuhr er mich an. „Nimm dich in acht! Ich habe ja überdies noch wegen des Schlages mit dir zu rechten. Das werde ich nachher tun. Jetzt aber gebt den Brief ab!“
    Er klatschte abermals in die Hände. Der Diener erschien, doch beachtete ich ihn nicht. Ich nahm den Brief aus dem Gürtel und hielt ihn dem Agha entgegen.
    „Dorthin gibst du ihn!“ befahl er, auf die dienstbare Seele deutend. „Hast du mich verstanden?“
    „Gut, so gehe ich wieder! Lebe wohl, Mirza Selim Agha!“
    Ich wandte mich um, und der Engländer ebenso.
    „Halt, ihr bleibt!“ rief der Agha, und seinem Diener befahl er: „Laß sie nicht

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