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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gasse war so breit, daß der Perser recht gut an uns vorüber konnte. Trotzdem hätte ich ihm den Willen getan, wenn er seine Gebärde unterlassen hätte.
    „Du hast Platz“, antwortete ich daher. „Vorwärts!“
    Anstatt vorüberzureiten, nahm er seinen Schimmel quer und sagte:
    „Schwein von einem Sunniten, weißt du nicht, wo du bist! Weiche aus, sonst zeigt dir meine Peitsche den Weg!“
    „Versuche es!“
    Er zog die Kamelpeitsche aus dem Riemen und holte aus. Er traf aber nicht, denn mein Rappe schnellte mit einem weiten Satz an ihm vorüber, wobei ich ihm die Faust so in das Gesicht stieß, daß er trotz seines orientalischen Sattels vom Pferde flog. Ich wollte nun ruhig weiterreiten, ohne mich um den Mann zu kümmern; da aber hörte ich außer seinem Fluch den Ausruf des Dieners, den uns Hassan Ardschir-Mirza mitgegeben hatte:
    „Az baray chodeh – um Gottes willen, das ist ja Mirza Selim Agha!“
    Sofort drehte ich mich um. Der Herabgestürzte saß bereits wieder auf seinem Pferd und hatte den krummen Säbel gezogen. Er erkannte erst jetzt den Sprecher.
    „Arab, du bist es!“ rief er. „Wie kommst du in die Nähe dieser Naschijestan (Ehrlose), die Allah verdammen wird?“
    Ich ließ dem Diener keine Zeit zum Sprechen, sondern antwortete selbst:
    „Halte deinen Mund! Ist dein Name Mirza Selim Agha?“
    „Ja“, antwortete er, für den Augenblick von dem Ton meiner Frage verblüfft.
    Ich trieb mein Pferd hart an das seinige und sagte halblaut:
    „Ich bin ein Abgesandter von Hassan Ardschir-Mirza. Führe mich in deine Wohnung!“
    „Du?“ – fragte er erstaunt, indem er mein Äußeres musterte. Dann wandte er sich an den Diener mit der Frage: „Ist es wahr?“
    „Ja“, antwortete derselbe. „Dieser Effendi ist Emir Kara Ben Nemsi, der dir einen Brief unsers Herrn zu übergeben hat.“
    Noch einmal überflog uns das Auge des Agha mit einem spöttischen, niederträchtigen hochmütigen Blick, und nun meinte er:
    „Ich werde den Brief lesen und dann mit dir über den Schlag reden, den du mir gegeben hast. Folgt mir, aber haltet euch fern, denn ihr beleidigt meine Augen!“
    Dieser Mann war also der Schah-Swar, der Getreue, welcher seinen Offiziersposten in der persischen Armee aufgegeben, dem Hassan seine Wertsachen anvertraut und der sogar Bendas Herz gewonnen hatte. Denn auch dies hatte mir der Mirza in vertrauter Stunde mitgeteilt. Armes Mädchen! War dieser Agha wirklich ein Schah-Swar, d.h. ein außerordentlicher Reiter, so mußte er auch gelernt haben, den Mann nach seinem Pferd zu beurteilen, und in dieser Beziehung war weder ich noch Lindsay ein Lump zu nennen. Außerdem war es nicht übermäßig klug von ihm, als ein Flüchtling in so glanzvoller Weise aufzutreten und dabei eine Anmaßung zu zeigen, die selbst einem viel Höheren nicht wohl gestanden hätte. Es fiel mir natürlich gar nicht ein, ihn in seinem Hochmut zu bestärken; vielmehr gab ich Lindsay einen Wink, worauf wir ihn in die Mitte nahmen.
    „Hund“, drohte er, „weiche zurück, sonst lasse ich dich peitschen!“
    „Schweig, Biwakuf (Pinsel)“, antwortete ich ruhig, „sonst setze ich dir noch einmal die Faust an die Nase. Wer seines Herrn Geschirr spazieren reitet, kann gut vornehm tun. Du wirst mir erlauben müssen, dich Höflichkeit zu lehren.“
    Er entgegnete nichts, sondern zog wieder den Schleier über das Gesicht, der sich während des Sturzes verschoben hatte. Dieses Schleiers wegen war er von dem Diener nicht sofort erkannt worden.
    Der Weg ging nun durch mehrere engere Gassen, bis Selim Agha vor einer niedrigen Mauer hielt, in die eine Toröffnung gebrochen war, die nur mit einigen Latten verschlossen wurde. Ein Mensch öffnete uns. Als wir uns im Hof befanden, sah ich eine Anzahl von Kamelen, die am Boden lagen und an Straußeneigroßen Klößen aus Gerste und Baumwollsamen kauten, mit denen in Bagdad diese Tiere gefüttert werden. Daneben lagen oder lungerten träge Menschengestalten herum, die sich jedoch beim Anblick des Agha in eine achtungsvolle Stellung streckten. Wie es schien, hatte dieser kleine Befehlshaber es verstanden, sich in Respekt zu setzen.
    Er übergab sein Pferd einem dieser Leute; wir vertrauten unsere Tiere dem Diener an, der mit uns gekommen war; dann schritt der Agha mit uns in das Haus, dessen Front den hinteren Teil des Hofes bildete. Es ging eine Treppe abwärts nach einem jener Sardaubs (unterirdisches Gemach), die bei der hier herrschenden Hitze eine Notwendigkeit sind.

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