14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Übrigens hast du nicht einmal gelernt, mit Männern zu verkehren. Auf der Straße verlangtest du Platz wie für einen Deftertar, hier in deiner Wohnung vergaßest du, unsern Gruß zu beantworten; du hießest uns nicht, niederzusitzen; du botest uns weder Pfeifen noch Tabak an; du nanntest uns Kaffirs, Schweine und Hunde. Und doch, was bist du für ein Wurm gegen uns und deinen Herrn, den Mirza! Mit einem Löwen kämpfe ich; einen Wurm aber störe ich nicht, wenn es ihm gefällt, im Kot herumzukriechen. Hassan Ardschir-Mirza hat mir sein Eigentum übergeben; ich bleibe also hier. Nun tue du, was du nicht lassen kannst!“
„Ich werde mich über dich beschweren“, sagte er giftig.
„Ich habe nichts dagegen.“
„Ich werde dir nichts übergeben!“
„Das ist auch gar nicht nötig, denn ich sitze ja bereits hier und habe alles übernommen.“
„Du wirst nichts von allem, was mir anvertraut ward, anrühren!“
„Ich werde alles anrühren, was mir von jetzt an anvertraut ist. Solltest du mich dabei belästigen, so werde ich einfach den Mirza benachrichtigen. Jetzt aber gib Befehl, daß wir ein gutes Mahl erhalten, denn ich bin nicht nur ein Gast, sondern nun der Herr dieses Hauses.“
„Es gehört weder dir noch mir!“
„Aber du hast es jedenfalls gemietet. Mach keine Umstände. Ich will dich schonen, indem ich dir erlaube, den Befehl zu erteilen; tust du es nicht, so sorge ich selbst für uns.“
Er sah sich in die Enge getrieben und stand auf.
„Wohin?“ fragte ich.
„Hinaus, um euch Speise zu bestellen.“
„Das kannst du hier auch tun. Ruf den Diener!“
„Mann, bin ich etwa dein Gefangener?“
„So ziemlich! Du verweigerst mir meine Rechte; ich muß dich also hindern, diesen Ort zu verlassen, um vielleicht etwas zu unternehmen, was ich nicht billigen darf.“
„Herr, du weißt nicht, wer ich bin!“
Jetzt nannte er mich zum erstenmal Herr; er hatte seine Sicherheit verloren.
„Ich weiß es sehr genau“, antwortete ich. „Du bist Mirza Selim Agha, weiter nichts!“
„Ich bin der Vertraute und Freund des Mirza. Ich habe alles geopfert, um ihm zu folgen und sein Vermögen zu retten.“
„Das ist schön und lobenswert von dir; ein Diener soll seinem Herrn in Treue ergeben sein. Du wirst mich jetzt zu dem Mirza begleiten.“
„Ja, das werde ich tun, sogleich!“
„Dieser mein Begleiter bleibt hier zurück, und du sorgst dafür, daß es ihm an nichts fehle. Das übrige wird Hassan Ardschir selbst bestimmen.“
Ich erteilte dem Engländer seine Instruktion, die ihm sehr willkommen war, da er sich hier behaglich pflegen konnte, während ich mich wieder hinaus in die Sonnenglut begeben mußte. Nachdem der Agha die darauf bezüglichen Befehle erteilt hatte, traten wir in den Hof, wo er seinen kostbaren Schimmel, den er sich erst in Ghadhim vom Geld des Mirza gekauft hatte, wieder besteigen wollte.
„Nimm ein anderes Tier“, sagte ich.
Er sah mich erstaunt an und fragte: „Warum?“
„Damit du kein Aufsehen erregst. Nimm also das Pferd deines Dieners!“
Er mußte mir wohl oder übel zu Willen sein. Der Diener Arab folgte uns. Um ein etwaiges Nachspüren irre zu leiten, ließ ich uns nach Madhim übersetzen, welches Ghadhim gegenüber liegt, und schlug dann auf einem Umweg die Richtung nach Norden ein.
Madhim ist ein ansehnlicher Flecken auf dem linken Ufer des Tigris, eine Stunde nördlich von Bagdad. Dort liegt der Imam Abu Hanife begraben, einer der Gründer der vier orthodoxen Schulen des Islam; nach ihm richtet sich das ganze Gebetbuch und Ritual der Osmanen. Ursprünglich stand über seinem Grab eine Moschee, die ihm der Seldschukide Malek Schah errichtet hatte; als aber der erste Osmanide, Suleiman der erste, das widerspenstige Bagdad bemeistert hatte, baute er ein festes Schloß um die Ruhestätte. Abu Hanife wurde von dem Kalifen Manssur aus Haß vergiftet; jetzt strömen Tausende von Schiiten zu seinem Grab.
Es vergingen zwei Stunden, bis wir den Ort erreichten, an dem sich der Mirza gelagert hatte. Er war sichtlich verwundert, mich wiederzusehen, empfing aber den Agha mit großer Freundlichkeit.
„Warum kommst du selbst zurück?“ fragte er mich dann.
„Frage diesen Mann!“ antwortete ich, auf Selim deutend.
„So rede du!“ gebot er demselben.
Der Agha zog den Brief hervor und fragte:
„Herr, hast du dies geschrieben?“
„Ja; du kennst doch meine Schrift! Warum fragst du also?“
„Weil du mir etwas befiehlst, was ich weder erwartet noch
Weitere Kostenlose Bücher