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14 - Roman

14 - Roman

Titel: 14 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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keineswegs verhinderte, dass der Schmerz in seinem Handgelenk wieder erwachte, und zwar schlimmer denn je.
    Dann schrie man ihnen zu, sie sollten vorrücken, und mehr oder weniger von den anderen geschoben, fand er sich jäh, ohne recht zu wissen, was tun, mitten auf einem Schlachtfeld wieder, das so real war wie nur möglich. Erst wechselte er noch Blicke mit Bossis, hinter ihnen rückte Arcenel einen Riemen zurecht, und Padioleau schnäuzte sich in ein Taschentuch, das nicht so weiß war wie er selbst. Danach mussten sie wohl oder übel im Laufschritt weiter, während im Hintergrund, in ihrem Rücken, eine zwanzigköpfige Gruppe von Männern erschien und sich in aller Seelenruhe, offenbar ohne jede Furcht vor Geschossen, im Halbkreis aufstellte. Das waren die Regimentsmusikanten, deren Dirigent die Marseillaise anstimmen ließ, indem er den erhobenen Stab senkte, in der Absicht, damit kühn den Angriff zu begleiten. Von seiner Verteidigungsstellung aus, gut getarnt in einem Wäldchen, hinderte der Feind die Truppe zunächst am Vorrücken, doch da die Artillerie von hinten versuchte, ihn zu schwächen, begannen sie die Attacke, krummrückig laufend, ungeschickt unterm Gewicht des Materials, jeder hinter seinem Bajonett her, das vor ihm die eiskalte Luft zerteilte.
    Leider aber hatten sie zu früh angegriffen und zudem den Fehler begangen, sich als Haufen auf die Straße zu drängen, die den Kampfschauplatz durchquerte. Diese Straße war völlig ohne Deckung und bestens einsehbar für die gegnerische Artillerie, die hinter den Bäumen Stellung bezogen hatte, und so gab sie die perfekte Zielscheibe ab: In Anthimes Nähe fielen sofort die ersten Männer, ihm war, als würde er zwei, drei Garben Blut spritzen sehen, er verbannte das aber kraftvoll aus seinem Geist – er war ja auch nicht einmal sicher, hatte gar keine Zeit, sicher zu sein, ob das wirklich unter Druck stehendes Blut war, und ja auch nicht, ob er bis zu diesem Tag je welches gesehen hatte, jedenfalls nicht so und nicht in dieser Form. Abgesehen davon hatte er gar nicht den Kopf, darüber nachzudenken, konnte nur auf alles feuern, was ihm feindlich schien, und vor allem nach irgendeiner möglichen Deckung suchen. Zum Glück bot die Straße, obwohl nach allen Regeln der Kunst vom feindlichen Feuer bestrichen, hier und da abgesenkte Abschnitte, in denen man zunächst noch ein wenig Schutz suchen konnte.
    Doch zu wenig: Unter den gebellten Befehlen mussten die vordersten Reihen der Infanterie diese Straße verlassen und sich auf das offen liegende Haferfeld auf ihrer Seite wagen, und nicht genug, dass sie unterm Beschuss des Feindes lagen, jetzt bekamen sie auch noch die von den eigenen Leuten hinter ihnen ungeschickt abgefeuerten Kugeln ab, worauf die Reihen bald in Unordnung gerieten. Sie hatten ja auch keinerlei Erfahrung, die Kampfhandlungen begannen ja erst: Erst später würde man den Befehl erhalten, sich ein großes weißes Rechteck auf den Mantelrücken zu nähen, um solchem Ungemach vorzubeugen und für die Beobachtungsoffiziere besser sichtbar zu sein. Doch während das Orchester seinen Teil zum Kampfgeschehen beitrug, erhielt der Arm des Baritonhorns einen Durchschuss, und die Posaune fiel, übel verwundet: Der Halbkreis rückte darüber zusammen, und die Musiker spielten, wenn auch in verminderter Formation, ohne jede falsche Note weiter, und als sie dann die Zeile wiederholten, in der das blutige Banner erhoben wird, fielen Flöte und Althorn tot zu Boden.
    Da die Artillerie ihr zu spät beim Vorrücken zu Hilfe gekommen war, konnte die Kompanie den ganzen Tag über nicht Oberhand gewinnen, stieß immer wieder vor, um sich aber sogleich wieder zurückzuziehen. Abends endlich gelang es ihr mit einer letzten Anstrengung, den Feind mittels eines Bajonettangriffs hinter den Wald zurückzutreiben: Wieder sah Anthime, glaubte er zu sehen, wie die Männer direkt vor seinen Augen andere Männer durchlöcherten und dann schossen, um mittels
Rückstoß die Klinge wieder freizubekommen. Er selbst, an sein Gewehr geklammert, fühlte sich nunmehr imstande, jedes sich bietende kleinste Hindernis zu perforieren, aufzuspießen, festzunageln, Menschenkörper, Tierkörper, Baumstämme, einfach alles, was auftauchte – eine flüchtige Verfassung, die jedoch allumfassend war, blind, jede andere ausschließend –, allerdings wurde ihm die Gelegenheit dazu nicht geboten. Er rückte weiter gemeinsam mit allen anderen vor, eine Quälerei, ohne sich mit Details

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