141 - Dämonenbilder sieht man nicht
auf den Altar, auf dem inzwischen ein zweiter Totenschädel lag. Toni war wie gelähmt; nur sein Geist war mit einemmal hellwach.
„Das ist gut so", hörte er Luguris Stimme neben sich. „Dein Blut und dein Gehirn werden ein perfektes Ebenbild meines nächsten Opfers schaffen."
Etwas bewegte sich unter Tonis Haut. Obwohl er nicht einmal den Kopf zu heben vermochte, sah er, wie sein Körper zu zucken begann. Augenblicke später spürte er den Aderlaß. Von den magischen Kräften des Dämons bewegt, strömte sein Blut in die Näpfe an den oberen Enden der Menhire.
Der Tod war mit ihm gnädig. Er empfand keine Schmerzen. Für ihn war es, als umfinge ihn eine Ohnmacht, die niemals endete.
In Sekundenschnelle begann sein Körper zu altern. Die Haut wurde runzlig und rissig, spannte sich straff über die Knochen, um schließlich wie brüchiges Pergament zu zerfallen. Auch das Skelett löste sich auf, wurde zu feinem Staub, der in den groben Poren des Opfersteins verschwand.
Zurück blieb nur der bleiche Schädel mit leeren Augenhöhlen. Luguri verzichtete auf eine magische Formel, sondern hob ihn mit beiden Händen auf und stellte ihn zu den anderen.
Der Dämon wirkte überaus zufrieden.
Ein schriller Schrei zerriß die Stille innerhalb der alten Mauern. Ein Schrei voller Verzweiflung und tief empfundener Qualen. Er wiederholte sich.
Dann wurden Schritte laut. Aufgeregte Stimmen hallten durch die Gänge und Zimmerfluchten von Castillo Basajaun.
„Was ist geschehen?"
„Ich weiß nicht."
„Das muß Phillip gewesen sein."
„Worauf warten wir dann noch?" Mit einer herrischen Bewegung streifte Coco Zamis ihr schwarzes Haar zurück. Die Lebensgefährtin des Dämonenkillers machte sich herzlich wenig daraus, daß sie nur im dünnen Nachthemd vor den anderen stand. Der Stoff betonte ihre schlanke Figur und schmiegte sich eng um die fast schon zu üppig geratenen Brüste. Sie hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, den Morgenmantel überzustreifen. Aber darauf achtete niemand.
Auch Ira Marginter, die blonde Restauratorin aus Köln, trug wenig am Körper: Zusammen mit Burkhard Kramer und dem Dänen Abraham Flindt hastete sie vor der ehemals zur Schwarzen Familie gehörenden Hexe den Gang entlang.
Ein weiteres Zimmer wurde geöffnet. „Was ist los?" wollte Hideyoshi Hojo wissen. „Hat jemand geschrien?"
„Phillip."
Sie erreichten das Schlafgemach des Hermaphroditen. Wie in Krämpfen wälzte Phillip Hayward sich auf seinem Bett. Das Federbett lag auf dem Boden, und das Laken war zerknüllt und feucht vom Schweiß, der dein Hermaphroditen in Strömen übers Gesicht lief.
Nichts zeugte noch von seinen engelsgleichen, glatten Zügen. Hart traten die Wangenknochen hervor, über denen sich die Haut gestrafft hatte. Phillip, ansonsten eher mädchenhaft wirkend, hatte alles Weibliche verloren. Während sein Röcheln zunehmend tiefere Tonlagen annahm, begann zarter Flaum an seinem Kinn zu sprießen.
Obwohl Phillip Hayward sich den Menschen in seiner Umgebung nur schwer verständlich machen konnte, war er doch ein wirklicher Glücksfall für sie. Nur alle paar hundert Jahre wurde ein Hermaphrodit wie er geboren, den die Dämonen dann wie die Pest zu fürchten hatten. Nicht Frau noch Mann, weder Mensch noch Dämon, besaß er vor allem hellseherische Fähigkeiten, die ihn schon oft in die Lage versetzt hatten, seinen Freunden wertvolle Hinweise zu geben. Sein Verhalten ließ keinen anderen Schluß zu, als daß er wieder verzweifelt einen Weg suchte, sich mitzuteilen.
Coco setzte sich zu ihm aufs Bett, versuchte, ihn zu beruhigen. Phillip hatte sich völlig versteift. Er bemerkte nicht einmal, daß ihre Hände seinen Nacken streichelten. Zitternd rollte er sich zusammen, um schon im nächsten Moment aufzuspringen und nach allen Seiten zu lauschen. Er schrie erneut. Sanft, doch unnachgiebig, zog Coco ihn zurück, redete zugleich beschwichtigend auf ihn ein. Endlich schienen ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt zu sein.
„Das Böse", brach es stockend aus dem Hermaphroditen hervor. „In Basajaun holt es seine Opfer." Die Männer und Frauen blickten sich fragend an. Das war schlichtweg unmöglich. Bis zum heutigen Tag hatte selbst Luguri es nicht geschafft, die vielfältigen Sperren rings um die Burg zu durchbrechen.
Mit einem Zipfel ihres Nachthemds tupfte Coco den Schweiß von Phillips Stirn.
„Du meinst, daß jemand, oder etwas, hier eindringen wird?" fragte sie.
Der Hermaphrodit achtete nicht
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