141 - Dämonenbilder sieht man nicht
sich umdrehten. Nichts an ihm erinnerte noch an den Cro Magnon, der im Tiefschlaf die Jahrtausende überdauert hatte. Längst hatte er sich der Technik und seiner zivilisierten Umgebung angepaßt, trug gut sitzende Anzüge und beherrschte Englisch und Deutsch, als hätte er sich nie eines anderen Idioms bedient.
Auch Donald Chapman, den seine Freunde liebevoll Don nannten, hatte den Frauen gefallen, was er seinerseits in früheren Jahren weidlich auszukosten verstand. Heute besaß er nur noch eine Gefährtin, nämlich das Alraunenmädchen Dula, was einzig und allein an seiner zwergenhaften Größe von 30 Zentimetern lag. Für sie war er noch immer eine stattliche Erscheinung. Früher Agent des Secret Service, hatte ein Dämon ihn zu seiner Wichtelgröße schrumpfen lassen. Ein späteres Schockerlebnis hatte ihm zudem sein schneeweißes Haar beschert.
„Wo steckt Burian Wagner eigentlich?" rief Chapman. Zusammen mit Unga konnte er erst vor kurzem in Castillo Basajaun angekommen sein.
Coco sah noch einmal nach Phillip, der friedlich schlief, dann verließ sie mit den anderen dessen Zimmer. Es war vier Uhr morgens. Gemeinsam begaben sie sich in den Rittersaal im Erdgeschoß.
Ira Marginter holte Getränke aus der Küche, während die anderen sich unterhielten.
Es war kühl zwischen den alten Mauern. Yoshi entfachte ein Feuer im Kamin, das schon nach wenigen Minuten hell aufloderte. Das Prasseln der Birkenscheite schuf eine anheimelnde Atmosphäre. Unga und Donald Chapman waren tatsächlich erst aus London eingetroffen, wo sie mit dem Dämonenkiller zusammengewesen waren. Dorian Hunter ließ durch sie ausrichten, daß er wohl noch eine Weile bei Trevor Sullivan und der von ihm geleiteten Mystery Press bleiben werde. Es gab etliche Berichte über unerklärliche Zwischenfälle zu sichten.
„Er hätte auch anrufen können", sagte Coco.
„Du weißt, wie Dorian ist", erwiderte Don. „Über seiner Arbeit vergißt er manchmal alles andere." Hideyoshi Hojo, der Burian Wagner zum Flughafen nach Barcelona gefahren hatte, berichtete. Im Grunde genommen gab es nicht viel zu sagen.
„Wenn wir mehr herausfinden wollen, muß einer von uns also nach Bayern", stellte Unga fest. „Das ist kein Problem für mich."
„Du großer Lackel bildest dir wohl ein, ich lasse dich allein gehen?" schrillte es vom Tisch her. Donald Chapman saß dort auf dem Rand eines gläsernen Aschers und ließ die Beine baumeln.
„Ts, ts", machte Unga tadelnd. „Was sind das für Ausdrücke aus deinem Mund?"
„Bayerische", konterte Don und schwang sich auf die Tischplatte. „Ich versuche nur, mich Land und Leuten anzupassen." Das befreiende Gelächter der Freunde quittierte er mit einem Schulterzucken.
Burian Wagner hatte schlecht geschlafen. Als er früh gegen vier Uhr schweißgebadet hochschreckte, konnte er sich allerdings nur mehr daran erinnern, geträumt zu haben. Der Inhalt seiner Träume entzog sich seinem bewußten Zugriff.
Burian schnupfte eine Prise Schmalzler und schlurfte dann zum Kühlschrank, aus dem er sich ein Bier holte. Er setzte die Flasche erst wieder ab, als sie zur Hälfte geleert war.
Es roch nach Rauch. Wahrscheinlich war der Qualm, der durch das gekippte Fenster hereinzog, für seinen schlechten Schlaf verantwortlich.
Zweierlei fiel Burian auf, als er den Vorhang zur Seite zog, um das Fenster zu schließen: Zum einen entdeckte er eine Reihe schwarzer, eingebrannt wirkender Flecke auf dem eloxierten Fensterblech, von denen er genau wußte, daß sie am Abend noch nicht dagewesen waren, zum anderen bemerkte er, daß seine Kreidezeichen auf der Scheibe und am Rahmen nahezu verblaßt waren.
Also hatte ihn seine Ahnung nicht getrogen und es war gut gewesen, sich abzusichern. Eine Verwünschung ausstoßend, griff er nach der gnostischen Gemme, die er um den Hals hängen hatte, und fuhr mit der Bildseite, auf der ein Abraxas dargestellt war, über das Glas. Symbole wie dieses waren erstmals auf spätrömischen Amuletten und Gemmen aufgetaucht, waren vor allem in der Renaissance wieder gebräuchlich gewesen und spielten selbst heute noch bedeutende Rollen in der Symbolik französischer und nordamerikanischer Okkultisten. Der Abraxas war schon immer als Zeichen für Glück und Sieg verwendet worden. Dabei war es vor allem der dargestellte Hahnenkopf, der seit jeher als Verkünder eines neuen Morgens galt, und weniger der Oberkörper eines gerüsteten Kriegers mit Schild und Peitsche als Zeichen der Macht oder gar die aus
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