141 - Dämonenbilder sieht man nicht
dem Baustil nach zu schließen, sind wir immerhin in Bayern angekommen."
Unga steckte den Puppenmann in die linke Außentasche. So bekam Don ebenfalls einiges von ihrer Umgebung mit und konnte rasch genug untertauchen, sobald ihnen jemand begegnete.
„Laß mich bloß nicht ins Wasser fallen", warnte Chapman. „Da drinnen sind Forellen, die gut und gerne einen halben Meter messen."
„Angst?" grinste Unga.
„Quatsch. Du solltest wissen, daß ich nur vorsichtig bin."
Ein Jogger kam ihnen entgegen. Er bedachte den Cro Magnon mit einem auffällig forschenden Blick. Offenbar hatte er mitbekommen, daß dieser Selbstgespräche führte.
Der Wanderweg mündete in eine gepflasterte Zufahrt. Jugendliche kauerten an einer besonders seichten Stelle des Sees und hielten Semmelbrocken ins Wasser. Die Forellen fraßen ihnen im wahrsten Sinne des Wortes aus der Hand. Es mußten Hunderte großer Fische sein, unter deren Schwanzschlägen das Wasser förmlich kochte.
„Hotel am Badersee", las Unga auf einer Hinweistafel. Von hier aus war auch ein besonders markanter Berg zu sehen. Schnee bedeckte seinen Gipfel.
„Die Zugspitze", bemerkte Chapman. „Wir können unser Ziel nicht weit verfehlt haben."
Niemand beachtete den Cro Magnon, als er an der Einfahrt zur Tiefgarage und einigen offenbar zum Hotelkomplex gehörenden separaten Häusern vorbeiging. Die Straße und ein Gehweg führten gut zweihundert Meter weit durch einen Wald und mündeten am Rand einer kleinen, langgestreckten Ortschaft mit verträumten Häusern und gepflegten Gärten. Im Hintergrund zeichneten sich die Berge ab.
Unga interessierte sich allerdings mehr für die nahe Bushaltestelle. „Grainau", murmelte er, während er ausgiebig den Fahrplan studierte. „Bis nach Garmisch-Partenkirchen sind es wenige Kilometer."
Sie mußten nur Minuten auf den nächsten Bus warten. Die ganze Fahrt über blickte Unga angestrengt zum Fenster hinaus. Indes hatte er kein Auge für die Schönheiten der Landschaft. Vielmehr versuchte er mit Hilfe seines natürlichen Spürsinns, dämonische Ausstrahlungen wahrzunehmen. Nur einmal war ihm, als streife ihn ein Hauch des Bösen. Aber die Wahrnehmung endete so schnell, daß er nicht sagen konnte, was es wirklich gewesen war. Als der Bus auf die B 24 einbog, gab Unga seine vergebliche Suche fürs erste auf.
Ein einziger Schritt ließ alles anders sein. Burian Wagner reagierte blitzschnell und warf sich herum, doch da war keine Tür mehr, durch die er fliehen konnte. Eine finstere, aus Stein gehauene Dämonenfratze grinste ihn tückisch an. Daneben erhob sich das Standbild eines geflügelten Löwen, das durchaus den Eindruck erweckte, es könne jeden Moment zum Leben erwachen. Burian wich dem stechenden Blick der aus Jade geschliffenen Augen aus. Seine Rechte verkrampfte sich um die Abraxas-Gemme. Vom ersten Augenblick an wußte er, daß er in eine wohlvorbereitete Falle gegangen war.
„Du …?" wandte er sich an Maibauer, doch das Wort blieb ihm im Hals stecken. Der Mann, der ihn dämonischen Mächten ausgeliefert hatte, war im Begriff, sein menschliches Äußeres zu verlieren. Die Haut löste sich auf, das Fleisch begann in schweren Tropfen von den Knochen abzufallen, und selbst das Skelett zerfloß bis zur Unkenntlichkeit. Was blieb, war eine große Amöbe, die sich rasch entfernte.
Burian wußte nur zu gut, daß eine panikartige Reaktion ihm nicht weiterhelfen würde. Wenn er daran dachte, welch aussichtslos erscheinende Situation Coco und Dorian schon gemeistert hatten … Mit einem unwilligen Schnaufen versuchte er, solche Gedanken zu verdrängen. Sie waren genausowenig angebracht wie Selbstvorwürfe.
Jemand wollte etwas von ihm.
Aber was? Und vor allem - wer?
Egal. Solange der Unbekannte nicht zufriedengestellt war, hatte er, Burian, noch eine Chance. War es die letzte Prise Schnupftabak, die er nahm? Sorgfältig verschloß er die silberne Dose wieder und schob sie in die Hosentasche zurück.
Er befand sich in einem kuppelförmig gemauerten Vorraum. Der einzige sichtbare Zugang war mit schwarzen Perlenschnüren verhängt. Den Statuen und vielfältigen Reliefs nach zu urteilen, schloß sich eine uralte Tempelanlage an.
Burian blieb keine andere Wahl, als den Weg zu gehen, der ihm zugedacht war. Ein dumpfer, monotoner Singsang aus Dutzenden Männerkehlen empfing ihn, als er zögernd den Vorhang durchschritt. Vor dem monströsen Standbild einer vielarmigen Göttin bewegten sich vermummte Gestalten im Gleichklang
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