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141 - Das trockene Meer

141 - Das trockene Meer

Titel: 141 - Das trockene Meer
Autoren: Ronald M. Hahn
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über den Rand des Weidengeflechts und sah, dass er mit Kohlen- und Sandsäcken voll gepackt war. Außerdem war da eine Art Ofen mit einem Rohr, aus dem heiße Luft in den unten offenen Ballon hochstieg. Weitere Leitungen führten zu zwei kleinen Dampfmaschinen unter den Propellern. »Wenn es mir gelänge, einen Korb zu flechten, in dem ich genügend Brennstoff bunkern könnte, würde ich mit dem Ding ins sagenumwobene Meeraka fliegen!«
    »Ach, wirklich?« Hacker verzichtete darauf, dem Erfinder zu erklären, dass man dank der Transportröhren der Hydriten zwar nur zwei Tage für diese Strecke benötigte, der Ballon sie aber niemals würde bewältigen können. Stattdessen schaute er sich argwöhnisch um, dann wuchtete er seinen Rucksack an Bord. Pofskis Knechte kamen näher und ergriffen die Korbtaue. Sie waren an in den Boden gerammten Holzpflöcken befestigt. »Es ist also nicht Ihr erster Flug, Kapitän?«
    »Aber nein!« Pofski machte sich an dem Ofen zu schaffen.
    Aus dem Loch im Oberteil schossen meterlange Flammen in den Ballon hinauf. »Kommen Sie an Bord. Ich werde es Ihnen beweisen.«
    Hacker schwang sich in den Korb, hielt sich am Rand fest und wandte sich den Helfern zu. Kapitän Pofski bellte einen Befehl. Die Knechte lösten die Taue von den Pflöcken und der Ballon schoss geradewegs in den Himmel hinein.
    Hacker krallte sich fest, schloss die Augen und fragte sich, zu welcher Gottheit man in solchen Situationen betete.
    Das Wanken hatte Auswirkungen auf seine Magennerven.
    Der Wind zischte um seine Ohren. Er lauschte Pofski, der ein Liedchen summte, zählte langsam bis hundert und machte die Augen wieder auf. Als sein Blick nach unten fiel, schwebten sie so hoch über den Wäldern, dass Hacker sie vor Schreck erst mal wieder schloss.
    Beim zweiten Versuch erspähte er tief unter sich das graublaue Band des Kolyma. Tscherskij lag hinter ihnen und war so winzig wie eine Spielzeugstadt. Die Schiffe im Hafen sahen aus wie Schiffchen, mit denen Kinder im Badezuber spielten, und die Menschen in den Straßen kleiner als Puppen.
    Mr. Hacker fragte sich, ob er noch alle Tassen im Schrank hatte, sich auf ein solch haarsträubendes Abenteuer einzulassen.
    Später wanderte sein Blick über die sich ausdehnende Landschaft, und er spürte, dass ihn langsam die Faszination packte. Wie schön die Erde war, wenn man sie von oben sah!
    Wie riesig die Wälder, wie silbern die See, wie idyllisch der von dichten Urwäldern umsäumte Fluss! Hier und da gewahrte er ein Tier, das über eine Lichtung hüpfte oder ans Ufer trat, um zu saufen. Er erblickte Schwärme großer weißer Vögel, die beim Auftauchen des Ballons davon stoben und Kapitän Pofski und seinen Begleiter aus gelben Augen verdutzt anstarrten, als fürchteten sie ihre Konkurrenz als Herren der Lüfte.
    Nach und nach gewöhnte sich Hacker daran, in einsamer Höhe durch den Raum zu schweben. Er empfand es sogar als vergnüglich, die Aussicht zu genießen. Als Kapitän Pofski sich an der Flamme eine schwarze Zygar anzündete und seinem Passagier eine ebensolche reichte, griff Hacker zu und füllte seine Lunge mit Machorkarauch.
    Fünf Minuten später spuckte er in den Fluss, ließ sich bleich und zitternd auf den Korbboden sinken und war um eine Erfahrung reicher.
    Die Zeit verging wahrhaftig wie im Fluge. Es wurde dunkel.
    Kapitän Pofski drosselte den Ofen und ging tiefer. Der Wind stand günstig und unterstütze die Propeller. Sie rauschten zehn Meter hoch über dem Fluss dahin und waren fünfmal schneller als jedes Schiff. Als der Morgen graute, stieß der kleine Aeronaut Hacker an und deutete nach unten.
    »Da ist Nadia Saljakins Raddampfer.«
    Hacker richtete sich auf. Die Übelkeit lag längst hinter ihm.
    Er lugte über den Korbrand und rieb sich die Augen.
    Tatsächlich. Da unten dümpelte ein Schiff, das ihn an einen alten Westernfilm erinnerte, am linken Ufer. Es hatte Anker geworfen. An Bord war niemand zu erkennen. Keine Wache im Ruderhaus?
    Kapitän Pofski fluchte plötzlich. Im nächsten Moment erkannte Hacker den Grund für seine Aufregung: An Deck des Dampfers lag ein Mann in einer weißen Leinenhose und einem blauweiß gestreiften Hemd – in einer riesigen Blutlache. Dann sah Hacker die zweite Leiche: Ihr Oberkörper ragte über die Schwelle des Ruderhauses. Überall war Blut. Eine eiskalte Hand griff nach seinem Herzen. Was war da unten passiert?
    Wo waren Mr. Black und Urla?
    Hacker drehte sich zu Pofski um. »Können Sie tiefer
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