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141 - Das trockene Meer

141 - Das trockene Meer

Titel: 141 - Das trockene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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suchten, damit sie es ihnen geben konnte, hatte einer der Räuber die Landkarte schon aus ihrem Mieder gezogen.
    »Da ist sie!« Er hielt das Pergament triumphierend hoch.
    »Her damit!« Wadim riss ihm den Plan aus der Hand. Die Räuber ließen Urla los und steckten die Köpfe zusammen. Als Ygoor sich zu ihnen gesellen wollte, fauchte Wadim ihn an, er solle die »Metze« gefälligst im Auge behalten, damit sie nicht türmte.
    Während das Trio die Landkarte in Augenschein nahm, die den Weg zur namenlosen Stadt beschrieb, zog Ygoor das erbeutete Schwert und musterte Urla mit einem Grinsen, aus dem große Verlegenheit sprach. Vermutlich hatte er sich seine Laufbahn als Dieb und Frauenschänder einfacher vorgestellt: Sein Blick sagte ihr, dass ihm die Sache inzwischen über den Kopf gewachsen war.
    »Auf was hast du dich eingelassen«, fragte sie leise. »Ist dir nicht klar, dass du jetzt nie wieder zu deiner Tante zurückehren kannst?«
    Offenbar hatte sie etwas Falsches gesagt, denn Ygoors Reaktion fiel schroff und trotzig aus. »Meine Tante? Pah!«
    Seine Augen blitzten wütend. »Die kann Orguudoo holen! Ich habe lange genug niedere Arbeiten für sie verrichtet! Ihre Landkarte wird uns reich machen! Wenn wir die Schätze der namenlosen Stadt erst geborgen haben, verschwinde ich nach Moska!«
    »Schwafel nicht so viel«, blökte Wadim. Die Räuber umringten Urla nun und stierten sie mit Blicken an, aus denen schmutzige Phantasien sprachen. Was hatten die Lumpen mit ihr vor?
    »Was habt ihr mit ihr vor?«, fragte Ygoor.
    Wadim grinste wie eine tumbe Taratze. »Na, was wohl? Dass sie nicht weiterleben darf, damit sie uns später anschwärzen kann, ist doch wohl klar.«
    Urla erblasste. Auch Ygoor sah nun sehr ungesund aus.
    »Ihr wollt sie… töten?«
    »Nein…« Wadim lachte. »Wir werden sie nicht töten. Du wirst sie töten!«
    »Ich?« Ygoor wankte zurück. Sein Blick zeigte blankes Entsetzen.
    »Ja, du.« Wadim nickte. Seine Komplizen grunzten hämisch. »Es ist unser Prinzip, nie Zeugen zu hinterlassen. Wir vertrauen nur Leuten, die sich mitschuldig machen – damit sie uns später, wenn das Gewissen sie vielleicht plagt, nicht verraten. Du verstehst doch, dass wir dir nur vertrauen können, wenn du bewiesen hast, dass du skrupellos genug bist?«
    »Ich… ich…«, stammelte Ygoor. Sein Blick wirkte gehetzt.
    Urla biss sich auf die Unterlippe.
    »U-und w-wenn ich es n-nicht tue?« Ygoor schaute Wadim zweifelnd an.
    Wadim und seine Freunde zogen ihre Schwerter. »Dann beißt du ebenfalls ins Gras. Die Karte haben wir ja. Wir können das Unternehmen auch ohne dich durchziehen.«
    Ygoor seufzte tief. Urla fragte sich, was sie an seiner Stelle getan hätte.
    »Gut.« Ygoor schaute sich um. »Aber ich will auch keine Zeugen.« Er grinste sogar. »Damit es mich später nicht den Kopf kostet, wenn einer von euch von seinem Gewissen geplagt wird.«
    Wadim klopfte Ygoor auf die Schulter. »Verstehe. Ja, das erste Mal ist nie einfach.« Er nickte seinen Leuten zu. »Wir gehen weiter.« Er deutete auf Ygoor. »Wenn du fertig bist, kommst du nach.«
    »Ohne Landkarte?«
    Wadim grinste. »Wenn die Karte stimmt, brauchst du von hier aus nur noch geradeaus zu gehen.« Er zeigte Ygoor die Richtung.
    Als das Trio sich in die Büsche geschlagen hatte, war es fast taghell. Urla und Ygoor standen auf der Lichtung und schauten sich an. Irgendwo zirpten Insekten. Dann fing ein Vogel an zu lärmen.
    »Jetzt sind wir allein.« Ygoor klang unheilschwanger. Sein Blick wanderte über Urlas Rundungen. Sie sah ihm an, dass er in diesem Moment an alles andere als an ihren Tod dachte. Das war prinzipiell gut, denn Männer in diesem Zustand waren nie hundertprozentig auf der Hut… Wenn Ygoor tat, was ihm durch den Kopf ging, musste er sie umbringen, denn zu Hause gab es Gesetze: Wenn man von seiner Tat erfuhr, würde man ihn vierteilen.
    »Ich schlage dir einen Handel vor«, sagte Urla, obwohl sie noch keine Ahnung hatte, wie der aussehen sollte. Wichtig war ihr nur, Ygoor abzulenken. »Wenn du mich leben lässt…«
    »Jaaa?« Ygoor beugte sich vor.
    Urlas rechtes Knie zuckte hoch und traf ihn dort, wo es ganz besonders wehtat. Leider hatten die Beine des verwünschten Kerls eine Position eingenommen, die Urlas Plan vereitelten.
    Das Knie traf Ygoors Oberschenkel. Ihr Versuch, ihn auszutricksen, machte Ygoor so wütend, dass seine Hände gegen ihre Brust knallten und sie nach hinten warfen. Urla landete auf dem Rücken. Eine Baumwurzel

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