1411 - Vampirehre
hat.
Derartige Skrupel existierten bei Justine Cavallo nicht. Sie dachte ausschließlich an ihren Vorteil, und sie hatte sich das Blut genommen, das sie brauchte.
Sie saß jetzt in einem Sessel, hatte die Beine lässig übereinander geschlagen und fühlte sich sichtlich wohl, aber auch satt. Das glatte Puppengesicht zeigte keine einzige Falte, und ihre Blicke, in denen es hin und wieder aufblitzte, waren mal auf Jane und mal auf mich gerichtet.
Die Einrichtung des Zimmers konnte man als bieder bezeichnen, aber man bemerkte schon die pflegende Hand einer Frau. Es war sauber, es gab zwei kleine Vasen mit frischen Frühlingsblumen und einen gesaugten Teppich. Justine hatte aus der Küche etwas zu trinken besorgt. Die beiden Flaschen mit Wasser standen auf dem Tisch, und für die entsprechenden Gläser hatte die Blutsaugerin auch gesorgt.
Als sie das Wasser trank, musste ich innerlich lächeln. Es war schon ein Anachronismus. Normal wäre es gewesen, wenn sie Blut getrunken hätte, aber man soll es ja auch nicht auf die Spitze treiben.
Die blonde Bestie wusste mehr, das stand für Jane und mich fest.
Wir beide hofften, dass sie mit ihrem Wissen nicht hinter dem Berg halten würde. Als sie das Wasser trank, schaute sie uns an, was Jane nicht besonders gefiel, und sie blaffte die Blutsaugerin an.
»Mach es nicht so spannend, verdammt!«
»Was wollt ihr denn hören?«
»Alles.«
Justine stellte das Glas weg. Sie wirkte jetzt wie ein normaler Mensch und runzelte die Stirn, als sie sagte: »Eigentlich ist das einzig und allein meine Sache.«
»Jetzt nicht mehr!«, fuhr ich sie an.
»Doch, noch immer!«
»Nein, meine Liebe. Wir wollen erfahren, gegen wen du dich zur Wehr setzen willst.«
Die Blutsaugerin legte den Kopf zurück. Sie lachte und schaute gegen die Decke.
»Gegen wen ich mich zur Wehr setzen will ?«, rief sie. »Nein, John, ich setze mich nicht zur Wehr. Es ist praktisch die Aufarbeitung der Vergangenheit, mit der ich es zu tun haben, um es mal vornehm auszudrücken.« Dann senkte sie den Kopf wieder, und vor den nächsten Worten verengten sich ihre Augen. »Es geht schlicht gesagt um Rache. Und darum, dass ich meine Vampirehre wieder herstellen will.«
Das war etwas, mit dem wir nicht gerechnet hatten. Entsprechend erstaunt blickten wir sie an.
»Vampirehre?«, murmelte ich.
»Ja, auch die gibt es.«
»Da sind wir aber gespannt«, meine Jane.
Justine reckte sich. Dabei streckte sie ihre Beine aus. »Ich kann gewisse Vorgänge nicht auf mir sitzen lassen. Da ist es egal, wie viel Zeit verstreicht. Man kann etwas verdrängen, aber nicht vergessen, und das ist bei mir der Fall.«
»Was kannst du nicht vergessen?«
Justine antwortete mit einer Gegenfrage. »Was wisst ihr denn bereits, Jane?«
»Nichts.«
»Aber ihr seid hier.«
»Also finde dich damit ab, Justine.« Mehr wollte Jane nicht sagen, und Justine akzeptierte dies, denn sie stellte keine weiteren Frage, die in diese Richtung tendierten.
»Mallmann dürfen wir auch nicht vergessen«, mahnte die Vampirin. »Es sind seine Blutbräute. Drei insgesamt. Dolores, Mira und Roxy. Diese Namen habe ich nicht vergessen, auch wenn die Vorgänge schon einige Zeit zurückliegen. Ich weiß nicht, ob die damals schon zu Dracula II gehört haben, was im Endeffekt auch keine Rolle spielt, aber ich kenne sie verdammt gut. Sie sind es gewesen, die mir damals die Blutbeute abgenommen haben. Ich war unterwegs. Ich habe den jungen Norweger geholt und…«
»War das hier?«, unterbrach Jane sie.
»Nein, nicht direkt. Es war hier in der Nähe. Außerhalb des Orts gibt es keinen kleinen See, an dessen Ufer einer Blockhütte steht. Ich hatte dort diesen norwegischen Typ entdeckt und wollte sein Blut trinken.« Sie hob die Schultern. »Es ist nicht dazu gekommen, weil ich gestört wurde.«
»Durch die Vampirbräute.«
»Genau.«
»Und weiter?«
Sie überlegte einen Moment. »Ich wollte nicht, dass er den Weg zu seinen Artgenossen fand und…«
»Halt mal«, sagte ich. »Das ist alles schön uns gut. Du hast dir deine Nahrung wegnehmen lassen?«
»Sie waren in der Überzahl. Sie haben mich regelrecht fertig gemacht. Ich konnte nichts dagegen tun. Ich habe später, als sie verschwunden waren, dem Norweger das Herz aus dem Leib geschnitten und ihm den Kopf abgetrennt und so dafür gesorgt, dass er nicht mehr zu diesem Trio fand. Aber vergessen habe ich nichts. Jetzt bin ich wieder da, und sie sind es auch.«
»Waren Sie nicht schon immer hier?«, fragte
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