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Mechaniker ein Rad, arbeitet er zehn Minuten und füllt zwanzig Minuten Papiere aus. Und jeder Mechaniker hat einen Stempel, mit dem er seine Arbeit kennzeichnet. Es macht Sinn: ‹Gehe mit der Zeit›, sage ich, ‹sonst gehst du mit der Zeit.›
Passiert etwas, sucht man einen Schuldigen – die Rechtsanwälte wollen auch leben. Werkelt einer am Wochenende an einer Drehbank – was er nicht darf – und etwas läuft schief, bin ich verantwortlich. Nach einem Unfall wird die Ambulanz aufgeboten, diese alarmiert die Polizei. Dann hagelt es Fragen: ‹Weshalb an einem Samstag? Weshalb war niemand hier? Hat er die Bewilligung für diesen Typ Drehbank?›
Ein Mitarbeiter kletterte jeweils ungesichert auf den Flieger, um die Antennen zu kontrollieren. Seit vierzig Jahren mache er es so. ‹Weisst du›, sagte ich, ‹es wäre mir verdammt nicht recht, wenn du einen Unfall hättest. Stell dir vor, dir wird schwindlig, du fällst, hast das Pech, nicht tot zu sein, und deine Frau muss dich im Rollstuhl den Stutz zu deinem Haus hinaufschieben.› Das wirkte.»
Fliegen bedeutet Pius Arnold nichts. Aber Fischen im Greifensee. Zappelt ein «alter Mocken» an der Angel, entlässt er ihn mit einem «Sorry». «Ich bin einfach gern in der Natur.» Den Eisvogel hört er von weitem.
Aufgewachsen ist Pius Arnold im luzernischen Reiden. Seine Mutter aus dem Berner Oberland bekam bis zum Todestag zu spüren, dass sie protestantisch war. Der Bub verbrachte jede freie Minute auf dem grossen Hof der Nachbarn, fuhr morgens und abends mit dem Traktor die Milch in die Käserei. «Ich war in der fünften Klasse, da sagte der Vogel Theo: ‹Pius, du bist kräftig, könntest doch zu mir kommen.› – ‹Jawohl, Herr Vogel›, antwortete ich, ‹ich komme dann.› Drei Jahre später war es so weit. Lieber hätte ich Landmaschinenmechaniker oder Schmied gelernt, aber versprochen war versprochen.»
Pius Arnold wurde Käser – gewann die ersten Schwingfeste während der Lehrzeit – und drehte im Februar 1983 in der Fernsehshow «Wetten dass…?» acht Käselaibe à 120 Kilo fünfzehn Sekunden schneller um als der damalige Weltmeister im Ringen. Zehn Jahre lang verpackte er Käse für die Migros. «Das kann», dachte er, «nicht das ganze Leben sein.»
Es folgte das zweite. «Bei der Rega muss man nicht, bei der Rega darf man arbeiten.» Einen Challenger wäscht er sechs Stunden und poliert ihn drei Tage. Das sei er den Gönnern schuldig. In den Ferien leitet er Kinder zum Putzen an, 400 über die Jahre. Zeichnungen und Dankeskarten schmücken sein Kabäuschen – «Rega forever!».
Pius Arnold ist der Mann für glänzende Jets, aber auch für frohgemute Atmosphäre. Seine Kollegen interessieren ihn. Ist einer deprimiert, geht er auf ihn zu. Zersplittert eine Gruppe, sucht er das Gespräch. Ab und zu pinnt er einen Zettel an die Wand: «Heute Grillabend im Wald.» Dann holen alle Frau und Kinder. Am Vierzig-Jahr-Jubiläum der Rega kümmerte er sich um das Kulinarische. Er rechnete mit 4000, 5000 Gästen. Metzgerkollegen grillierten Würste, der Damenturnverein Satus Wiedikon servierte. Um drei Uhr morgens bestellte er Nachschub. Verpflegt hat er schliesslich 12 000 Besucher. Dann die Einweihung des Rega-Centers. Das Sommerfest. Der Chlausabend. «Einmal wollte Stiftungsrat Peter Bär wissen, was ich für den Wein bezahlt habe. ‹Sechs Franken zwanzig.› ‹Gut›, meinte der Bankier, ‹einfach nicht übertreiben.›» Heute organisiert ein Eventmanager den Jahresanlass, und am Chlausabend wird ein Bankett offeriert: «Eine schöne Wertschätzung der Geschäftsleitung.» Die Hangar-Technik wurde zur «Operation Technic Aircraft Maintenance» (OTAM), dann zum «Betrieb Luftfahrzeug Instandhaltung» (BLI). Reorganisation verunsichert auch. «Die Rega muss man nicht neu erfinden.» Der Safety-Officer weist auf ein Foto: Arnold poliert das rote Kreuz. «Wir müssen Sorge zu ihm tragen.»
Erich Arnold, Pius genannt, ist 1954 in Reiden (LU) geboren. Der gelernte Käser arbeitete zehn Jahre bei der Migros, seit 1987 im Hauptcenter bei der Rega, erst als Servicemann, heute als Hangarverantwortlicher und Safety-Officer.
Eine Art Sorgenstelle
für Apotheke und Seele
Ruth Schuler, Pflegefachfrau als Logistikerin
Ruth Schuler verantwortet die medizinische
Ausstattung der Ambulanzjets
«Mutter Schuler!» Die Begrüssung ist ein Kompliment. Die fürsorgliche Ader gehört zu ihr. Seit 2001 arbeitet Ruth Schuler in der medizinischen Logistik. Drei
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