1420 - Der Geisterhenker
Glenda bei ihm nicht kannte. Sie wusste, dass er sprechen wollte, und stellte keine Fragen. Sie wollte, dass er von allein anfing zu reden, was er auch tat.
»Wir kennen uns lange genug, Glenda, und Sie wissen auch, dass ich vor keiner Gefahr davongelaufen bin. Ich habe sie auch stets richtig eingeschätzt, aber heute habe ich schon Probleme. Was auf uns zukommt, ist schlecht zu fassen. Man kann es nicht greifen, denn dieser Saladin ist uns im allen Belangen überlegen. Wenn ich Sie jetzt frage, wo wir sicher sind, können Sie mir auch keine Antwort geben – oder?«
»So ist es, Sir.«
»Wir sind also nirgendwo sicher?«
»Richtig. Nicht vor Saladin und damit auch nicht vor dem Henker. Da haben sich zwei gesucht und gefunden. Es ist ein perfektes Paar, um Feinde aus dem Weg zu räumen. Und ihre Feinde sind wir. Aber wir sollten uns nicht einfach so töten lassen.«
Sir James nickte. »Genau deshalb bin ich zu Ihnen gekommen, Glenda. Wir sollten über einen Plan nachdenken, und ich gehe davon aus, dass Sie dabei so etwas wie ein Mittelpunkt sind.«
»Ach, warum gerade ich?«
Sir James nahm seine Brille ab und putzte mit einem Tuch die Gläser. Er sagte: »Ob freiwillig oder nicht, Glenda, aber es hat Sie erwischt. Durch das Serum sind Sie in die Lage geraten, sich ebenso zu bewegen wie Saladin.«
»Einspruch, Sir. Ich kann mich zwar wegteleportieren, aber ich habe längst nicht die Macht wie der Hypnotiseur. Saladin ist mir in allen Belangen überlegen. Er ist eiskalt. Er ist ein Verbrecher. Was ich mich nicht trauen würde, zieht er eiskalt durch. Ich kann einfach keine perfekte Gegenwaffe sein.« Glenda schwieg und schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich nicht so stark und hoffte, dass Sir James ihre Erklärungen verstanden hatte.
Er blieb trotzdem dabei. »Es ist ja nicht für längere Zeit oder für immer. Ich denke, dass wir anders darüber denken, wenn John Sinclair und Suko hier sind. Doch bis dieser Zeitpunkt eingetreten ist, sollten wir uns darauf beschränken, an uns zu denken. Danach kann es ja gemeinsam gegen diese Plage gehen.«
Glenda überlegte nicht lange. »Das könnte sogar klappen. Und es kommt darauf an, welche Pläne die andere Seite hat. Mit wem sich Saladin und der Henker zuerst beschäftigen werden. Sie könnten sich Schwachstellen aussuchen und…«
»Als die sehe ich mich an.«
Glenda Perkins stellte keine Frage. Sie nickte ihrem Chef sogar zu.
Er hatte nicht Unrecht. Er war stets im Hintergrund geblieben und hatte es perfekt verstanden, gewisse Einsätze zu koordinieren. Nur hin und wieder war er in den Brennpunkt geraten, aber er hatte es immer wieder geschafft, oft auch mit Johns und Sukos Hilfe, die Angriffe auf ihn zu überleben. Sie wunderte sich über Sir James’ Besorgnis. Das Erscheinen des Hypnotiseurs und das des Henkers schien bei ihm einen Nerv getroffen zu haben. Es waren keine Feinde, die einen festen Standort hatten. Sie konnten ihn wechseln, wann immer sie es wollten, und schlugen dann zu.
Sir James sprach Glendas Gedanken praktisch aus. »Man kann sich eben nicht auf sie einstellen. Genau das ist es, was mir Sorgen bereitet.«
»Das sehe ich ähnlich.«
Er nickte und erhob sich. »Das wollte ich nur klargestellt haben. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen.«
Glenda sah die kleinen Schweißperlen auf der Stirn des Superintendenten. Zu warm war es im Büro nicht. Dafür sorgte die Klimaanlage. Es musste an der inneren Unruhe liegen, eben an der Angst des Mannes, bei diesem Fall den Überblick zu verlieren.
»Sie wollen aber nicht weggehen, Sir?«
»Nein, nein. Ich werde mein Büro aufsuchen.«
»Dort sind Sie allein«, gab Glenda zu bedenken.
»Das weiß ich. Aber trotz allem habe ich noch zu tun. Daran ändert auch das Erscheinen eines Henkers nicht.« Er hob die Schultern.
»Das ist nun mal so. Ändern kann man daran nichts. Ich kann mich ja nicht vor aller Welt verstecken.«
»Es gibt Ausnahmen.«
»Das weiß ich.« Sir James schaute kurz auf seine Uhr. »Es kann zudem nicht mehr lange dauern, bis John und Suko hier eintreffen. Ich denke, dass wir dann in aller Ruhe über den Fall reden können.«
»Ja, hoffentlich.«
Der Superintendent ging.
Glenda schaute ihm nach, und sie hatte das Gefühl, als trüge dieser Mann eine schwere Last auf den Schultern. So bedrückt hatte sie ihn eigentlich noch nie zuvor gesehen. Die Dinge waren für ihn auch schwer zu fassen.
Sehr langsam und auch in sich gekehrt, schritt Sir James über den Flur. Er hatte es
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