1420 - Der Geisterhenker
hatte.
»Wie fühlst du dich? Kann ich auf dich zählen?«
Er schaute mich besorgt an und erwartete eine ehrliche Antwort von mir.
Er würde merken, wenn ich ihm etwas vorspielte. Deshalb sagte ich: »Ich fühle mich noch immer verdammt schwach. Mich pustet der leichteste Windhauch um.«
»Darauf wird die andere Seite keine Rücksicht nehmen.«
»Leider.« Ich saß im Sessel und stieß in Intervallen die Luft aus.
Ich hatte wirklich keine Lust, mich in meinem Zustand dem Gegner zu stellen. Er würde keine Rücksicht darauf nehmen. Saladin hatte sich wieder etwas ausgedacht, und mir fiel wieder seine Botschaft ein.
»Du musst eines wissen, Suko. Dieser verdammte Hypnotiseur will mich auslöschen. Und wahrscheinlich nicht nur mich, sondern auch dich und diejenigen, die mit uns zu tun haben.«
»Das heißt, unsere Freunde können damit rechnen, von dem Geisterhenker besucht zu werden.«
»So ist es«, bestätigte ich.
Es blieb für eine längere Zeit still, bevor Suko sagte: »Dann sollten wir sie warnen.«
»Was sonst?« Ich hob die Schultern, bevor ich auf den toten Kollegen wies. »Er muss abgeholt werden. Phil Baker sollte das in die Wege leiten. Verdammt, er wird sich wundern.«
»Mach ich.«
Ich überlegte es mir anders. »Nein, Suko, gib ihn mir. Ich möchte mit ihm reden.«
»Wie du willst.«
Es machte mir wirklich keine Freude, mit dem Kollegen über den Tod eines Menschen zu sprechen, der praktisch durch einen dummen Zufall in die Maschinerie hineingeraten war und mit seinem Leben hatte bezahlen müssen.
Baker wollte mir zunächst nichts glauben und sagte mit leiser Stimme: »Sie machen Scherze, Mr Sinclair.«
»Leider nicht.«
»Verdammt. Wie ist es dazu gekommen?« Seine Stimme war kaum zu erkennen. Die Nachricht hatte ihn geschockt, und ich hörte, dass er immer wieder schwer durchatmete.
Ich wies ihn noch mal darauf hin, dass alles, was ich ihm sagte, der Wahrheit entsprach, auch wenn sie sich noch so unwahrscheinlich anhörte.
»Ja, ja, ich kenne Sie ja.«
»Dann ist es gut.« Den Selbstmord erklärte ich ihm so gut wie möglich. Hypnose begriff er, aber er konnte nicht fassen, dass ich nichts dagegen unternommen hatte.
»Glauben Sie mir, ich hätte es getan, wenn es möglich gewesen wäre. Dass ich noch am Leben bin, ist auch nicht unbedingt normal. Das können Sie mir glauben.«
»Pardon, aber ich war wohl noch zu geschockt. Dass sich Fieldman selbst erschießt, damit hätte ich nicht gerechnet.«
»Es ist aber so.«
»Ich leite dann alles in die Wege. Bleiben Sie noch für eine Weile am Tatort?«
»Ja, das werde ich. Wir reden dann anschließend weiter.«
»Sie hören sich auch nicht eben agil an, Mr Sinclair.«
»Das bin ich auch nicht. Ich habe ebenfalls einiges hinter mir. Man hat mich ausschalten können, sonst wären die Dinge anders gelaufen. So aber fühle ich mich als der große Verlierer. Ich erwarte Sie dann in Beth Ingrams Wohnung.«
Ich hatte mit Sukos Handy telefoniert und reichte es ihm zurück.
Er wollte nicht nur hier herumsitzen, sondern über den Henker reden und fragte: »Was wissen wir über ihn?«
»Nicht genug.«
»Klar, das denke ich auch. Wer oder was ist er? Wo kommt er her? Wie kann man ihn einstufen? Ist er ein Mensch, ein Dämon? Oder ein Geist? Vielleicht ein halber?«
»Darüber müssen wir nachdenken«, murmelte ich.
Suko war noch nicht fertig. »Was war er vorher? Ein Killer?«
»Bingo. Du sagst es. Er war ein Killer der Illuminati. Aber das liegt schon einige Jahre zurück. Nur hat er sich nicht hier in London herumgetrieben, sondern in den Staaten. Da ist er auch gefasst worden. Er wurde vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Er bekam die Spritze. Damit hatte es sich.«
»Aber jetzt ist er wieder da – oder?«
Ich hob die Schultern an. »Es sieht ganz so aus. Und er hat sich an seiner Tochter gerächt, weil sie ihm damals nicht geholfen hat. Sie war praktisch das Bindeglied zwischen uns und ihm. Durch ihren Tod sind wir ihm auf die Spur gekommen, und nichts anderes hat er letztendlich gewollt.«
»Wer? Der Henker?«
»Nein«, sagte ich. »In diesem Fall trifft das wohl nicht zu. Da geht es nicht um den Henker.«
»Also Saladin.«
»Ja. Er zieht die Fäden, Suko. Alles was er macht, muss spektakulär sein, das kennen wir ja. Wenn es nach ihm ginge, wäre ich längst tot. Da hast du ihm zum Glück einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber aufgeben wird er nicht. Der Henker existiert noch. Er ist weiterhin unterwegs,
Weitere Kostenlose Bücher