1420 - Der Geisterhenker
dieser Geisterhenker wirklich?«
»Jemand, den es schon seit langen Zeiten gibt. Der immer wieder seiner Arbeit als Henker nachging. Nicht nur in letzter Zeit. Er hat auch in früheren Jahrhunderten bewiesen, was er kann, und damals haben ihn die Menschen ganz offen gebraucht. Ohne Henker lief da nichts. Dass sich die Zeiten gewandelt haben, liegt auf der Hand. Auch der Begriff des Henkers hat sich gewandelt. Aber es gibt ihn noch. Er hat nur eine andere Bezeichnung bekommen.«
»Killer, nicht wahr?«
»Gut, Glenda, gut. Du hast gelernt. Dazu gratuliere ich dir. Ja, der Henker ist in der modernen Zeit zu einem Killer geworden. Paul Ingram aber sieht sich noch als Henker vom alten Schlag. Und das soll er auch. Er soll auch seine Waffe benutzen und so den Menschen zeigen, dass ihm der Tod nichts anhaben kann. Er ist wieder da. Etwas anders als früher, aber es gibt ihn.«
»Warum?«, flüsterte sie. »Warum gibt es ihn?« Glenda war jetzt neugierig geworden. Sie hatte ihre erste Bedrückung abgeschüttelt und war froh, dass sie das Gespräch aufnahm.
»Er muss weitermachen. Die Hölle wollte ihn nicht. Er ist zu stark, als dass ihn eine Spritze hätte vernichten können. Er ging in ein anderes Reich ein, nicht in das des Spuks. Seine Seele war noch vorhanden. Sie wanderte, sie suchte sich etwas Neues, und das hatte sie sehr bald gefunden. Sie brauchte keinen normalen Körper mehr, aber sie formte einen nach, und so trat der Geisterhenker in seinem neuen Outfit auf. So sagt man doch heute – oder?«
»Ja, sagt man. Was willst du damit genau sagen?«
»Dass er eine Kreatur der Finsternis ist!«
Genau damit hatte Glenda schon gerechnet. Zwar fiel es ihr nicht wie Schuppen von den Augen, aber jetzt war ihr einiges klar geworden. Längst besaß sie Erfahrung genug, um zu wissen, was es bedeutete, es mit einer Kreatur der Finsternis zu tun zu haben. Im Prinzip ein Dämon, hatten diese Unpersonen es geschafft, sich über lange Jahrtausende zu halten und sich unter die Menschen zu mischen.
Sie sahen aus wie normale Menschen, deshalb fielen sie nicht auf.
Aber sie waren es nicht, denn sie besaßen zwei Gesichter. Einmal das menschliche und zum anderen das dämonische, ihr Urgesicht.
Das allerdings zeigten sie selten. Erst wenn sie dicht davor standen, vernichtet zu werden, kam es zum Vorschein.
»Du weißt Bescheid, Glenda?«
»Danke für die Aufklärung.«
»Keine Ursache. Dir sollte mittlerweile klar sein, dass es gar nicht so einfach ist, den Geisterhenker zu stoppen. Er ist süchtig danach, seine Feinde aus dem Weg zu räumen. Das hat man ihm beigebracht. Ich kann mich dabei zurückhalten, kann ihn beobachten, ihn machen lassen und alles in Ruhe abwarten.«
»Verstehe. Angefangen hat er mit seiner Tochter.«
»Ja, seine Rache. Er hat ausprobiert, wie gut er noch ist, verstehst du? Da war seine Tochter das beste Objekt.« Diese Sätze zeigten Glenda, wie gnadenlos Saladin war.
»Und was hat das mit uns zu tun?«, flüsterte Glenda.
»Ganz einfach. John Sinclair sollte erleben, was auf ihn zukommt. Deshalb habe ich ihm die Vorwarnung geschickt. Nicht mehr und nicht weniger. Und nun läuft der Zug. Er ist nicht mehr aufzuhalten. Ich kann aus sicherer Warte beobachten, was da passiert. Er wird auch zu dir kommen, Glenda. Aber zuvor sind andere Personen an der Reihe.«
»Wer?«
Seine Antwort bestand nur aus einem harten Lachen. Dann legte der Hypnotiseur auf.
Glenda stand noch eine Weile auf der Stelle. Sie schaute auf den Hörer, ohne ihn wirklich zu sehen. Ihr Gesichtsausdruck war maskenhaft starr geworden. Das Blut war aus ihrem Gesicht gewichen, und die Lippen hatte sie fest zusammengepresst. Dass es ein Bluff war, daran wollte sie nicht glauben. Einer wie Saladin bluffte nicht.
Der zog seine Pläne rücksichtslos durch. Und wenn er einen adäquaten Partner gefunden hatte, umso schlimmer.
Für sie stand fest, dass sie etwas unternehmen musste. Eine derartige Provokation konnte einfach nicht hingenommen werden. Sie alle standen auf der Liste, und nicht jeder würde sich so wehren können wie ein John Sinclair oder ein Suko.
Zudem wusste sie nicht, wen dieser verdammte Geisterhenker als Ersten besuchen würde. Aber er würde sich immer die schwächste Stelle aussuchen, das hätte auch sie getan.
Allein konnte sie nichts entscheiden. John und Suko waren noch unterwegs. Es blieb Sir James, der sich in sein Büro zurückgezogen hatte. Mit ihm musste sie über den Anruf und die daraus folgenden
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