1420 - Der Geisterhenker
Konsequenzen sprechen.
Es war kein Problem, in das Büro zu gehen, doch für Glenda hatte die Welt ihre Normalität verloren. Ein gewisser Instinkt sagte ihr, sich nicht vorher anzumelden, sondern ohne Vorwarnung zu ihm zu gehen.
Oder noch auf John und Suko warten? Sie vielleicht kontaktieren?
Glenda Perkins lauschte auf ihre innere Stimme. Die sagte ihr, dass sie die Dinge selbst in die Hände nehmen sollte…
***
Sir James gehörte zu den Menschen, die sich immer in der Gewalt hatten. Gefühle offen zu zeigen, das lag ihm nicht. Dieses Training machte sich jetzt bezahlt, als er gegen die Gestalt starrte, die vor ihm stand und ihn bedrohte.
Bewaffnet mir einem Beil. Bleich, beinahe gesichtslos. Darauf aus, seine Pläne durchzuziehen, ohne Rücksicht auf das Leben eines Menschen.
Sir James kannte die genauen Zusammenhänge nicht, aber dass der Henker bei ihm erschienen war, durfte er nicht als bloße Drohung auffassen.
Sir James hatte nie an vorderster Stelle gekämpft, nur selten war es zu einem direkten Kontakt zwischen ihm und dieser anderen Welt gekommen, aber hier wusste er genau, dass er keine Chance besaß.
Selbst wenn er eine Maschinenpistole unter seinem Schreibtisch hervorgeholt hätte, er hätte das Büro niemals als Sieger verlassen.
Von seinem Nacken lösten sich mehrere kleine Schweißperlen und rannen seinen Rücken hinab. Das Zittern, ausgelöst von der Angst vor dieser Gestalt, war in seinem Innern zu spüren. Ihm wurde kalt und heiß zugleich, dennoch bewahrte er die Ruhe. Er wollte dem Henker nicht zeigen, wie es um ihn stand. Er schaffte es sogar, sich zusammenzureißen und der Gestalt zuzunicken, bevor er sie ansprach.
»Was wollen Sie hier? Wer sind Sie?«
Der Henker gab keine Antwort.
»Bitte, was ist los? Weshalb sind Sie hier eingedrungen?«
Die Hände sanken nach unten. Das Gleiche geschah mit dem Beil.
Obwohl die Klinge jetzt in eine andere Richtung wies, fühlte sich Sir James nicht sicherer. Es konnte sein, dass der Henker zuvor noch ein Spiel mit ihm trieb.
Was Sir James am meisten störte, war die Tatsache, dass er in der Höhle des Löwen bedroht wurde. Auf seinem ureigensten Terrain.
Und dass niemand das Erscheinen des Henkers bemerkt hatte. Er war auf eine geisterhafte Art und Weise gekommen und würde auch auf eine solche wieder verschwinden. Nur ließ er dann einen in seinem Blut liegenden Toten zurück, denn an Gnade glaubte der Superintendent nicht. Dann hätte der Henker nicht erst zu ihm zu kommen brauchen.
Anrufen?
Nein, das war auch nicht möglich. Die Gestalt hätte ihn nicht gelassen.
Eine Flucht?
Auch das war unmöglich. Der Geisterhenker wäre immer schneller gewesen.
Sich dem Kampf stellen?
Sir James dachte daran, wie wehrlos er war. Nicht mal ein Taschenmesser trug er bei sich, und dieser Henker wusste genau, was er tat. Er hatte bewusst gewartet, damit sich sein Opfer über seine Chancenlosigkeit klar werden konnte. Genau das war jetzt vorbei.
Er wollte sein Beil nicht schleudern, sondern näher an Sir James heran, um ihn zu töten. Vielleicht nicht sofort, erst mit dem zweiten und dritten Schlag. So etwas war möglich. Das Opfer eine böse grausame Folter erleben lassen und ihm dann den Rest geben.
Sir James hatte sich aus seinem Schreibtischsessel erhoben.
Er starrte durch seine dicken Brillengläser auf die Gestalt, die ihn zum Ziel ausgesucht hatte. Er merkte, dass er immer stärker schwitzte. Er suchte nach einem Ausweg, aber da kämpften zwei Seiten in seiner Brust.
Zum einen der Wille, sich zu wehren, zum anderen das Wissen, dass es aussichtslos war.
Noch stand zwischen ihm und dem Geisterhenker der Schreibtisch. Die Gestalt konnte es sich aussuchen, welchen Weg sie nahm.
Für Sir James spielte es keine Rolle, ob ihn der Tod von der linken oder von der rechten Seite erwischen würde.
Der Geisterhenker bewegte sich, und es war kein einziger Laut zu hören. Er schien über den Boden zu schweben, und nur seine Waffe wippte leicht auf und ab. In den Öffnungen der Maske bewegte sich nichts. Die Augen blieben starr, und Sir James kam der Gedanke, dass sich dort leere Höhlen befanden.
Der Henker schwenkte seine Waffe. Es sah so lässig aus. Mal auf, dann wieder ab. Er wollte sein Opfer einlullen und zugleich ablenken. Er wollte, dass…
Der erste Angriff!
Obwohl Sir James damit gerechnet hatte, erfolgte er überraschend.
Er wunderte sich noch, wie schnell die Gestalt werden konnte. Wie lang plötzlich der Arm mit der Waffe war, die
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