1425 - Medusas Vermächtnis
Messe dauert noch ein paar Tage. Da werden Sie sicherlich Gelegenheit haben, vorbeizuschauen.«
»Das hoffe ich sehr.«
Sie bat um die Rechnung. Mir passte es nicht, dass ich ihren Namen nicht kannte, und sprach sie darauf an.
»Ich will nicht als zu neugierig erscheinen, aber jeder Künstler hat einen Namen.«
Sie hob die Augenbrauen an, die perfekt nachgezogen waren.
»Fragen Sie einfach nach Cornelia. Ich signiere meine Bilder auch so.«
»Danke, ich heiße übrigens John.«
»Amerikaner?«
»Nein, Engländer.«
»Aus London?«
Ich nickte.
»Aha…«
»Sie kennen London?«
»Sehr gut sogar. Einige meiner Bilder habe ich in dieser Stadt gemalt. Sie ist sehr inspirierend für mich gewesen. Vielleicht fahre ich noch mal für einige Wochen dorthin.«
»Ein Besuch lohnt sich immer.«
»Bis dann vielleicht.« Die Malerin zahlte und rutschte vom Hocker. Sie verließ die Bar zwar, aber sie ging nicht nach draußen.
Ihr neuer Platz war ein Sessel in der Lobby. Dort ließ sie sich nieder und holte ein Handy aus ihrer Handtasche.
Ich dachte über sie nach. Schlangen, Medusa, ein Bild – das war es doch. Das musste es einfach sein. Es war die Verbindung, die ich gesucht hatte, obwohl mir natürlich die endgültigen Beweise noch fehlten.
Diese Cornelia war keine Medusa. Auf ihrem Kopf wuchsen keine Schlangen. Aber sie hatte mit Schlangen zu tun, sogar sehr intensiv.
Das konnte einfach kein Zufall sein.
Ich fand es schade, dass ich nur ihren Vornamen wusste. Aber ich kannte die Galerie, in der sie ausstellte, und die würde ich mir am heutigen Abend zuerst anschauen.
Ich hatte es ja auf der Zunge liegen gehabt, nach dem Bild einer Medusa zu fragen. Doch das hätte mich nur verdächtig gemacht.
Der Name Cornelia sagte mir nichts. Ich war kein Kunstkenner.
Allerdings glaubte ich schon, dass sie in der Branche einen Namen hatte. Mehr würde mir sicherlich der Galerist verraten können.
Auch ich zahlte, trank noch mein Weinglas leer und rutschte vom Hocker. Dabei drehte ich mich so, dass ich in Richtung Lobby schauen konnte.
Dort sah ich Cornelia noch mal. Sie war nicht mehr allein. Ein dunkelhaariger, nicht zu großer Mann bewegte sich an ihrer Seite. Beide gingen auf den Ausgang zu. Sie waren vertraut miteinander und schienen sich gut zu kennen.
Ich hatte den Mann nur von hinten gesehen. Auch wenn es anders gewesen wäre, ich glaubte nicht, ihn zu kennen.
Die Messe wartete auf mich, und ich spürte, wie die Spannung in mir allmählich anstieg…
***
Noch herrschte die Ruhe vor dem Sturm, aber die Menschen kamen schon in Pulks, um sich zu informieren.
Die meisten von ihnen waren natürlich Sehleute. Aber es gab auch hin und wieder welche, die richtig zuschlugen. Auf die hoffte jeder Galerist, der teure Kunst verkaufte.
Die Preise der Galerie von Michael Schultz hielten sich in Grenzen.
Er war unter anderem ein Mensch, der auch jungen Künstlern eine Chance gab und ihre Werke der Öffentlichkeit präsentierte, sodass sie schon einen Fuß in der Tür hatten.
Der Galerist freute sich auf jede Messe. Man traf die Kollegen, man konnte sich über neue Trends austauschen und Preise diskutieren.
Aber im Vorfeld dieser Art Cologne blieb seine Freude zumindest gedämpft.
Es lag an dem Bild. An dem verdammten Motiv. Gut, es gab die Arbeiten von Dürer oder von Leonardo über die Medusa, aber diese Bilder waren eben nur Bilder. Bei dem der Künstlerin Cornelia hatte er so seine Bedenken. Ihr Werk war mehr als nur ein Bild. Und der Begriff Vermächtnis im Titel, der schien wirklich zu passen, denn warum hatten sie es durch einen Spiegel betrachten müssen? Hatte diese Medusa tatsächlich existiert und noch nach Jahrtausenden ein Erbe hinterlassen?
Das konnte er sich nicht vorstellen.
Das war auch wider alle Logik. Aber die Welt war verdammt bunt, und viele Farben warteten noch darauf, entdeckt zu werden.
Michael Schultz war nicht der Einzige, der noch letzte Hand an seinen Stand legte. Aus Berlin hatte er einen jungen Kunststudenten und Maler mitgebracht, der ihm zur Hand gehen wollte. Am ersten Publikumstag würde noch eine Mitarbeiterin erscheinen und ihm zur Seite stehen. So war es auf jeder Messe gewesen.
Noch genoss er die Luft in der Halle. Eine Klimaanlage, die später gegen den Geruch der vielen Besucher anzukämpfen hatte, sorgte für angenehme Temperaturen.
Mit der Rolltreppe war der Galerist in die erste Etage gefahren. Er hatte es eilig, weil er das Bild loswerden wollte. In der dunklen
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