1425 - Medusas Vermächtnis
Kammer war es tatsächlich am besten aufgehoben.
Mit der Eile war das so eine Sache. Michael Schultz kannte einfach zu viele Personen, die er begrüßen musste. So wurde er immer wieder aufgehalten, musste Hände schütteln und Smalltalk machen.
Man wünschte sich gegenseitig ein gutes Gelingen.
Schließlich erreichte er seinen Stand und fand dort auch seinen Helfer Tim Ferber vor. Der junge Mann mit den langen Haaren, die er im Nacken zusammengebunden hatte, war sehr rührig gewesen und hatte alle Bilder aufgehängt. Jetzt saß er auf einem Stuhl. Vor ihm stand ein Tisch. Tim hatte sich einen Aschenbecher besorgt und rauchte eine von seinen Selbstgedrehten. Dabei blätterte er in einem Prospekt und nahm hin und wieder einen Schluck aus dem Wasserglas.
Erst als Michael Schultz dicht vor ihm stand, schreckte er hoch und erbleichte etwas.
»He, was ist los, Tim?«
»Sie haben mich erschreckt.«
»Das kommt bei mir öfter vor. Schließlich bin ich der größte Galerist in Deutschland. Zumindest was die Körpergröße und den Umfang angeht. Egal, wie sieht es aus?«
Tim stand auf. Er trug schwarze Jeans und ein Kittelhemd in Dunkelblau.
»Es ist alles soweit okay.«
»Sind die Bilder aufgehängt?«
»Klar.«
»Ich schaue sie mir mal an. Aber erst muss ich das neue Bild hier wegbringen.«
»He, Sie haben es?« In Tims Augen leuchtete es auf. Er wischte sich über seinen Ziegenbart am Kinn und fragte: »Kann ich mal einen Blick darauf werfen?«
»Nein.«
»Schade.«
»Ich werde es in die Kammer stellen, und dort bleibt es zunächst.«
Tim war neugierig und fragte weiter: »Sind Sie denn zufrieden damit?«
»Ich denke schon.«
Der Galerist wollte nicht länger diskutieren. Im hinteren Teil des Stands befand sich der Raum, dessen Tür er noch aufschließen musste. Alles war zwar ziemlich stabil auf dem Stand, aber kräftige Schläge konnte die Kabine sicher nicht vertragen.
Nur weil der kleine Raum kein Fenster hatte, wurde er Dark Room genannt. Licht war trotzdem gelegt worden. Nachdem Schultz an einen Schalter getippt hatte, wurde es unter der Decke hell. Nicht grell, sondern eher angenehm.
Er schloss die Tür. Niemand sollte sehen, was er da wegstellte.
Tim als Zeuge reichte ihm schon. Klappstühle lehnten an der Wand.
Für einen Kühlschrank war auch noch Platz, ebenso wie für einen Minitisch, der auch zusammengeklappt werden konnte.
Michael Schultz suchte einen Platz für das Bild. Er fand ihn neben dem kleinen Kühlschrank. Da konnte er es gegen die Wand lehnen, ohne dass es im Weg stand.
Er prüfte noch mal den Reißverschluss, dann drehte er sich um und verließ die Enge. Die Tür schloss er von außen ab.
Tim stand in der Nähe. »Wenn Sie noch etwas für mich zu tun haben, Herr Schultz, dann…«
»Ich sehe mir erst mal die Bilder an. Und zu tun habe ich auch für dich.«
»Was denn?«
»Ab jetzt bleibt der Stand nicht mehr unbesetzt. Das heißt, wenn ich weg bin, hältst du hier die Stellung, und wenn du weg bist, bleibe ich hier.«
»Ist okay.«
Michael Schultz nickte und schaute sich um. »Die Bilder kann ich mir gleich noch ansehen, aber ich denke, dass du sie gut aufgehängt hast. Die größeren als Blickfeld und die kleineren in die Ecken.« Er fuhr durch sein lichtes Haar und sah den Ständer mit den Drucken.
»Die müssen noch nach vorn geschoben werden. Preiswerte Kunst für Einsteiger. Aber das kann man später machen.«
»Wird erledigt.«
»Gut.« Der Galerist nagte auf seiner Unterlippe. »Dann werde ich mal kurz verschwinden und etwas essen. Halte du so lange die Stellung.«
»Geht klar. Was ist, wenn jemand nach Ihnen fragt? Soll ich ihn dann zu Ihnen schicken…«
»Bestimmt nicht.« Schultz hatte den Kopf zurückgelegt und ließ seine Blicke über die Balken gleiten, an denen die kleinen, grellen Spotlights befestigt waren, die ihr Licht zielgerecht auf die Bilder schickten.
»Das ist ebenfalls in Ordnung«, brummelte er. »Hast du alles gut überwacht, Tim.«
»Machte auch Spaß.«
Schultz hob die Hand zum Gruß. »Dann bist später.« Er ließ Tim mit gutem Gewissen allein.
Der schaute seinem Chef nachdenklich hinterher. Auf einer Kunstmesse zu arbeiten war ein Job, der ihm gefiel. Vor allen Dingen wenn die Besucher eintrafen und er mit ihnen diskutieren konnte.
Aber es gab auch langweilige Zeiten. Dazu gehörten die folgenden zwei Stunden bis zur Eröffnung der Messe. Die Arbeit war getan. Er würde sich langweilen, das stand fest, denn er wusste, dass
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