1427 - Todesfallen
senkte sie den Kopf und schien nichts mehr sagen zu wollen.
Doch da gab es noch Giselle, und sie hatte uns davon berichtet, ein Gesicht im Ausschnitt der Wohnwagentür gesehen zu haben. Und zwar ein Gesicht, das sich von oben her gesenkt hatte.
»Ich glaube, dass dieser Typ auf dem Dach gelauert hat.«
»Aber es war kein Tier?«
»Nein.«
Ich blieb am Ball, denn ich dachte an etwas Bestimmtes. »Wäre es Ihnen möglich, mir das Gesicht zu beschreiben? Haben Sie es noch in genauer Erinnerung?«
»Das ist schwer. Ich hatte ja eine zu große Angst«, flüsterte sie.
»Kann ich mir denken. Deshalb möchte ich Sie fragen, ob es etwas Besonderes an sich hatte.«
Giselle brauchte nicht lange nachzudenken. »Ja, es war meiner Meinung nach sehr bleich.«
»Das ist schon mal was. Es gehörte einem Menschen. Haben Sie auch den Mund gesehen?«
»Zwangsläufig.«
»Waren die Lippen geschlossen oder konnten Sie vielleicht die Zähne sehen?«
»Der Mund war zu.«
»Gut. Und auf seiner Stirn haben Sie auch nichts bemerkt?«
»Nein. Was sollte ich denn dort gesehen haben?«
Ich winkte ab. »Schon gut.« Dass ich dabei an Mallmann und an das rote D auf seiner Stirn dachte, davon erzählte ich ihr nichts. Ich wollte sie nicht noch mehr durcheinander bringen.
Dafür schaute ich zum Himmel. Ein Wetterumschwung deutete sich an. Über die Berge im Südwesten hatten sich schwere Wolken geschoben. Die Sonne hatte sich zurückgezogen und war nicht mehr zu sehen. An den Rändern schimmerten die Wolkenmassen in einem leicht gelblichen Farbton, da deutete einiges auf ein Sommergewitter hin. Zudem war es schwüler geworden, und um uns herum tanzten jetzt Schwärme von Mücken.
Mir war klar, dass wir die beiden Frauen auf keinen Fall hier allein in der Natur lassen konnten. Sie selbst hatten sich zu Fuß aus dem Staub machen wollen. Ob ihnen das gelungen wäre, stand in den Sternen.
Angela hatte sich wieder gefangen. »Sie denken jetzt über uns nach, nicht wahr?«
»Ja.«
»Sind wir Ihnen hinderlich?«
»Nein, das kann man so nicht sagen. Aber wir machen uns schon Ihretwegen Sorgen. Sie kennen das Gesetz der Mörder. Zeugen dürfen sie nach ihren Taten nicht zurücklassen.«
Angela stand auf. »Das weiß ich. Deshalb wollte ich ja auch weg. Aber die Autos…«
»Vergessen Sie die«, sagte ich. »Am besten kommen Sie mit uns.«
Beide sagten erst mal nichts. Der Vorschlag war zu überraschend für sie gekommen.
Schließlich hatte sich Giselle gefangen und fragte: »Wohin wollen Sie uns denn mitnehmen?«
»Nicht weit…«
»Petrila?«
»Nein.«
»Dann verstehe ich nicht…«
»Lassen Sie mich ausreden. Es gibt in der Nähe ein Haus. Dort hat bis vor einigen Wochen noch ein guter Freund von uns gewohnt, der leider verstorben ist.«
»Dieser Marek?«
Jetzt war ich überrascht. »Sie kennen ihn?«
»Nein, das nicht. Wir haben nur was gehört. Manche Kunden reden. Und sie sagen auch, dass es in dieser Gegend Vampire gibt.«
Die Antwort hatte Angela gegeben, die auch fortfuhr. »Aber ich weiß nicht, ob es ein Vampir gewesen ist, der den Bullen getötet hat. Ich kenne ja keine Vampire. Nur aus dem Kino oder so…«
»Schon gut. Aber es wäre besser, wenn Sie mit uns gehen würden. Im Haus sind Sie sicherer. Außerdem stehen Sie dann unter unserem Schutz.«
Das wollte Angela mir nicht so recht glauben. »Auch wenn uns Vampire angreifen?«
»Selbst dann.«
Sie sagte in den nächsten Sekunden nichts. Wahrscheinlich überlegte sie, ob sie es mit Spinnern zu tun hatte. Dann fragte sie plötzlich. »Vampire kommen in der Nacht, nicht?«
»So ist es.«
»Und wir sind dann im Haus?«
»Richtig, wenn Sie sich entschließen, mit uns zu kommen.«
Die Frauen schaute sich an. Giselle atmete schwer. Dabei bewegte sich ihr gesamter Körper, und wir sahen auch, dass sie einige Male nickte. Sie hatten wir auf unserer Seite.
Fehlte noch Angela.
Bevor ich sie ansprechen konnte, gab sie ihre Entscheidung bekannt.
»Komm, Giselle, wir packen einige Sachen zusammen. Dann fahren wir mit ihnen.«
Die rothaarige Frau lächelte. Sie sah wirklich erleichtert aus.
Angela hatte noch eine Frage.
»Gibt es in dem Haus auch eine Dusche?«
»Klar«, sagte ich. »Und ich bin sicher, dass sie sogar funktioniert.«
»Dann kann ja nichts schief gehen…«
***
Da die Frauen nur das Nötigste einpackten und nur zwei Reisetaschen mitnahmen, wurde es im VW nicht eng. Zudem mussten wir nicht weit fahren.
Der Himmel über dem breiten Talkessel
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