1431 - Das Humanidrom
Holm ihm nach, bis er im Wald verschwand. „Wo bin ich hier?" fragte der Ingenieur. „Ist das eine Art Straßentheater?"
„Nein", entgegnete Deni. „Das ist die Realität."
Sie nahm die Tasche mit dem Gepäck auf und folgte dem Mann. Holm eilte hinter ihr her. „Wohin willst du?" fragte er atemlos. „In die Stadt."
„Aber doch nicht zu Fuß!"
„Wie denn sonst?"
„Wir rufen eine Taxe. Oder wir nehmen einen Bus. Oder wir..." Er blickte sie hilflos an. „Oder?"
Er legte beide Hände an den Kopf. „Deni, du willst doch nicht behaupten, daß es keine Taxen gibt? Der Transport zwischen Raumhafen und Stadt hat seit Jahrhunderten problemlos funktioniert!" Er lachte verzweifelt. „Es ist doch lächerlich, wenn du zu Fuß gehen willst. Sieh doch mal in den Himmel hinauf. Da oben ist das großartigste Bauwerk, das Menschen jemals errichtet haben. Es ist ein Meisterwerk der Technik und der Organisation. In der ganzen Milchstraße wird man uns dieser Leistung wegen bewundern. Und du willst behaupten, daß es hier unten nicht mal eine Taxe gibt?"
„Genau das", antwortete sie. „Hast du dir schon mal überlegt, wovon das Humanidrom eigentlich bezahlt wird?"
Ihm war, als hätte sie ihm den Boden unter den Füßen weggezogen.
Trotzig drehte er sich um und ging zur Raumhafenhalle. „Ich werde eine Transportmöglichkeit finden", rief er ihr über die Schulter hinweg zu. „Der Assistent von Endehar Roff geht nicht zu Fuß!"
Er schaffte es tatsächlich, einen Antigravgleiter aufzutreiben. Dabei handelte es sich um eine alte Maschine, die auf dem Raumhafengelände für verschiedene Materialtransporte eingesetzt wurde. Sie enthielt keine Sitze, da sie von einer stationären, robotischen Einheit gelenkt wurde. „Immer noch besser, als zu Fuß zu gehen", rief er und lachte gezwungen, als sie in Richtung Stadt starteten.
Seine Stimmung hatte sich merklich gehoben. Angestrengt blickte er durch die verschmutzte Frontscheibe. Er erwartete, das Lichtermeer von Lokvorth-Therm zu sehen. Doch er wurde enttäuscht. Vor ihnen war alles dunkel. „Es liegt daran, daß die besten Ingenieure am Humanidrom arbeiten", sagte er mehr zu sich selbst, um sich zu trösten, als zu seiner Frau. „Da fehlt es natürlich hier unten an qualifizierten Arbeitskräften. Aber damit wird es ja bald vorbei sein. Noch fünfzehn Jahre, und das Humanidrom wird eingeweiht."
Er lachte laut. „Es wird ein Fest geben, von dem die ganze Galaxis sprechen wird."
Er entdeckte einige Lichter am Stadtrand, und seine gute Laune verflog wieder. Das Zentrum lag im Dunkeln. Als er vor drei Jahren hier gewesen war, hatten die zahllosen Lichter ihn geblendet.
Niemand hatte an Energie gespart. Jetzt hatte er den Eindruck, in eine verlassene Stadt zu kommen.
Der Gleiter landete vor dem ehemals besten Hotel der Stadt. Eine Leuchteinheit über dem Eingang brannte und spendete ein wenig Licht. „Vielleicht sind schon alle schlafen gegangen?" überlegte er. „Ist es denn schon so spät?"
„Es ist zehn Uhr abends", antwortete sie.
Ein dunkelhäutiger Mann empfing sie an der Tür.
Froh, überhaupt jemandem zu begegnen, rief Holm: „Wir wollen das beste Zimmer, das du hast! Und dann essen wir die Speisekarte rauf und runter."
„Ihr könnt euch ein Zimmer aussuchen", antwortete der Mann. „Es sind alle frei, aber essen könnt ihr nicht mehr. Die Küche ist geschlossen."
Der Ingenieur ließ sich nicht entmutigen. „Dann gehen wir in ein Restaurant", sagte er. „Irgendwo in der Nähe wird schon noch was offen sein. Was kannst du uns empfehlen?"
Der Mann drehte sich wortlos um und ging ins Hotel. Holm wollte ihm verärgert folgen, doch Deni hielt ihn fest. „Nicht doch", bat sie. „Es hat keinen Sinn. Verstehst du denn nicht? Nirgendwo in der Nähe ist ein Restaurant. Der Mann fühlt sich von dir veralbert."
Holm ging schweigend ins Hotel. Hier blickte er sich nur flüchtig um. Er war erschüttert und ernüchtert. Das Interieur des Hotels sah verfallen aus. Er befand sich nicht in einem Luxushotel, sondern in einem heruntergekommenen Haus, das schon lange keine gutzahlenden Gäste mehr gesehen hatte. „Ich habe nur noch eine Frage", sagte er, wobei er sich an seine Frau wandte. „Gibt es ein besseres Hotel in der Stadt?"
„Nein", antwortete sie. „Wenn du komfortabel wohnen willst, müssen wir zum Humanidrom zurückkehren."
Sie verzehrten einige trockene Brote auf ihrem Zimmer, in dem seit Wochen niemand mehr saubergemacht hatte. „Du hast es
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