1431 - Shaos Feindin
oft im Leben zählte zunächst nur der Erfolg.
Und den sah er sehr bald, denn er erkannte jetzt, dass es ein bestimmter Mensch war, der auf ihn wartete.
Eine Frau mit langen dunklen Haaren.
Shao!
Er ging schneller.
Je näher er kam, umso deutlicher nahm der die Konturen wahr. Er sah auch, dass Shao eine ungewöhnliche Haltung eingenommen hatte. Sie hatte ihre Arme zur Seite hin ausgestreckt und die Beine ebenfalls. In dieser ungewöhnlichen Haltung wartete sie auf Suko.
Er schrie ihren Namen, bevor er die letzten Schritte lief, seine Arme nach vorn streckte – und gegen sie prallte.
Nein, nicht gegen Shao. Es war nur die harte Fläche eines Spiegels, die seine Arme einknicken ließ…
***
Suko erlebte den Schmerz und zugleich den Druck, als er nach hinten geschleudert wurde. Der Boden schien sich in eine weiche Masse verwandelt zu haben, denn er verlor seine Standfestigkeit und hatte große Mühe, den Halt zu bewahren.
Nach ein paar Schritten hatte er sich wieder gefangen, und sofort schaute er auf den Spiegel.
Da war Shao zu sehen!
Aber war sie das wirklich, ein Mensch aus Fleisch und Blut? Oder musste man sie als eine Imagination ansehen?
Suko wusste wirklich nicht, was er glauben sollte. Dabei dachte er daran, dass dieses Fahrgeschäft auf einem Jahrmarkt stand. Und dort gab es zahlreiche Täuschungen und Irrungen, die einen Menschen schon durcheinander bringen konnten. Möglicherweise auch hier, wo noch eine Kraft hinzu kam, die man mit dem Begriff Magie umschreiben konnte. Suko hatte dies bei Shimada erlebt. Er war dort auf zahlreiche Täuschungen hereingefallen.
Er schaute sich den Spiegel erneut an. Diesmal aus einer kurzen Distanz.
Shao malte sich dort weiterhin ab. Selbst die gestreckte Haltung war die gleiche geblieben. Sukos Aufprall hatte ihr Abbild nicht einmal zum Zittern gebracht.
Jemand musste hinter dieser Täuschung stehen, und das war Nagita. Nur hätte er sich die Augen aus dem Kopf schauen können, sie zeigte sich nicht. Sie hielt sich irgendwo verborgen, sie agierte aus dem Hintergrund. Sie setzte die Spielregeln dieser Welt ein und machte Suko klar, wie sehr sie sie beherrschte und nicht er, denn Suko musste sich vorkommen wie jemand, der hinter einem Ball herläuft und zu spät bemerkt, dass dieser an einem Faden hing und von einer anderen Person immer weiter gezogen wurde.
Nun gehörte er nicht zu den Menschen, die so leicht aufgaben. Er war es gewohnt zu kämpfen, und das würde auch hier nicht anders sein.
Noch zwei Schritte näher ging er an die Spiegelwand heran. Aus dieser recht knappen Entfernung war schon zu erkennen, dass sie sich vom übrigen Blau der Umgebung abhob. Sie hatte einen helleren Hintergrund, der in die Unendlichkeit zu führen schien.
Shao sah wieder aus wie das Phantom mit der Maske. Sie war noch bewaffnet, aber die Haltung, in der sie dort stand, wies auf eine gewisse Starre hin.
Ihn interessierte Shaos Gesicht. Er war gespannt darauf, ob sie ihn ebenfalls so sah wie er sie. Wenn es der Fall war, würde sie eine Reaktion zeigen.
Suko versuchte es und hob seine rechte Hand. Es war ein Gruß. Er hoffte, dass er erwidert wurde, aber den Gefallen tat Shao ihm nicht.
Sie blieb starr.
Er wollte es noch nicht mit anderen Mitteln versuchen und konzentrierte sich weiterhin auf sie. Diesmal allerdings nahm er sich etwas anderes vor. Er wollte die Dimensionen ausloten und herausfinden, ob Shao tatsächlich ein dreidimensionaler Mensch war oder nur aus zwei Maßeinheiten bestand – aus Breite und Länge.
Sehr genau musste er hinblicken und stellte fest, dass sie sich nicht verändert hatte. Es gab sie noch so, wie sie war, nur eben starr, und sie wirkte, als hätte man sie an der anderen Seite des Spiegels regelrecht festgeklebt.
Natürlich wollte er sie dort wegholen. Suko strengte sein Gehirn an, um einen Ausweg zu finden. Er schaute sich die genauen Ausmaße an, aber es hatte keinen Sinn. Die Wand schien keinen Anfang und kein Ende zu haben – wie eben alles in dieser ungewöhnlichen Welt, die sich für sie beide geöffnet hatte.
Schießen?
Mit einer geweihten Silberkugel auf die Wand feuern? Das wollte Suko nicht. In seinen Augen war es das Verschwenden von kostbarer Munition. Da gab es noch andere Möglichkeiten.
Vielleicht auch nur eine, aber es gelang ihm nicht mehr, näher darüber nachzudenken, weil sich innerhalb dieser blauen Fläche eine Bewegung abzeichnete.
Zuerst war es nur ein schwaches Zirkulieren im Hintergrund.
Dann tat sich
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