1436 - Der Höllensohn
unendlich weiter und blauer Himmel, auf dem hin und wieder dünne Seidentücher als Wolken lagen. Ideales Flugwetter. Das war auch in meiner Umgebung zu spüren. Die Fluggäste waren ruhig, sogar guter Laune, denn so zu fliegen machte einfach Spaß.
»Sie essen nicht alles, John?«, sprach mich Konstantin von der Seite her an.
»Nein, ich habe keinen Appetit.«
»Schade.«
Mir war sein begehrlicher Blick aufgefallen, deshalb fragte ich:
»Wollen Sie die beiden Scheiben?«
»Ja, gern. Bevor man sie später wegwirft.«
»Bitte.« Ich reichte dem Popen meinen Teller rüber.
Konstantin bedankte sich lächelnd. Er nahm auch Soße und Salz und aß mit großem Appetit.
Bei der netten Flugbegleiterin war ich einer der ersten Passagiere, die den Kaffee bestellten.
Zwischendurch gab einer der Piloten einen kurzen Wetterbericht durch. Damit konnte jeder Fluggast zufrieden sein. Das Wetter würde sich halten, auch in London würden wir bei Sonnenschein landen und uns über die spätsommerliche Temperatur freuen können.
Die Nachricht brachte einige Passagiere dazu, Beifall zu klatschen, und mein Nebenmann auf der anderen Gangseite gab ebenfalls einen Kommentar ab.
»Der Himmel meint es gut mir uns, John.«
Ich hob die Schultern. »Wenn Sie das sagen, Konstantin.«
»Sie können sich darauf verlassen.«
»Mal sehen.«
»Ach, seien Sie Optimist. Das ist im Leben immer besser. Ich weiß, wovon ich rede.«
»Das kann ich mir denken.«
In den nächsten Minuten schwiegen wir. Außerdem räumten die Flugbegleiterinnen ab. In der nächsten Zeit konnten sich die Passagiere entspannen und ihren eigenen Gedanken nachhängen.
Das tat ich auch. Nur drehten sich meine Gedanken um einen Geist, der nicht vernichtet worden war und mir Rache angedroht hatte.
Ich hatte auf dem Flughafen erlebt, zu was er fähig war. Ich war auch hier im Flieger von der Flüsterstimme überrascht worden, und die quälende Warterei, der ich hier ausgesetzt war, kam einer Folter gleich.
Das hatte er so gewollt. Eine Verunsicherung. Er wollte mich fertig machen. Ich sollte auf keinen Fall Ruhe finden. Ich musste damit rechnen, dass er sich noch mal meldete. Aber nicht nur das. Er würde sich bestimmt auch etwas einfallen lassen, und das konnte nur etwas Negatives sein. Möglicherweise nahm er nicht nur mich aufs Korn, sondern auch die anderen Passagiere hier im Flieger. Zuzutrauen wäre es ihm, denn einer wie er kannte keine Gnade.
Ich versuchte mich ebenso zu benehmen wie jeder andere Fluggast auch. Den Kopf hatte ich leicht nach rechts gedreht und schaute aus dem Fenster in den Himmel, dessen wunderbare blaue Farbe mich überwältigte.
Ich sah in der Ferne die Erdkrümmung und kam mir plötzlich so unendlich klein vor, wenn ich mich mit der gewaltigen Natur verglich.
»Eine schöne Aussicht – nicht?«
Mich erwischte die geflüsterte Frage wie ein eisiger Schock, und ich hatte Mühe, normal sitzen zu bleiben.
Er war es wieder. Keiner hörte ihn sprechen, nur ich, denn alles fand in meinem Kopf statt.
»Was soll das?«, fragte ich mit einer sehr leisen Stimme.
»Ich wollte dir nur klar machen, dass ich noch immer in deiner Nähe bin.«
»Das hatte ich mir gedacht.«
Ich hörte sein Lachen. »Vergessen habe ich auch nichts. So alt ich auch bin, ich habe vieles erlebt, denn schon damals hat es vieles gegeben, das sich bis heute gehalten hat.«
»Ich weiß.«
»Du hättest mich nicht angreifen dürfen, Engländer. Das war dein Fehler, denn jetzt schlage ich zurück, und ich kann dir versprechen, dass ich stärker bin.«
»Wahrscheinlich. Aber auch feiger.«
»Wieso?«
»Du bringst es nicht fertig, dich zu zeigen. Du hältst dich bedeckt. Du bist jemand, der nie offen an seine Feinde herantritt. Du willst sie immer hinterrücks angreifen und nimmst keine Rücksicht auf das Leben Unschuldiger.«
»Vergiss nie, dass du mir meine Verbündeten genommen hast, Sinclair. Sie alle sind vernichtet worden, und daran bist du schuld. So und nicht anders sehe ich es. Ich habe es nicht vergessen. Jetzt kannst du mir nicht entkommen, denn hier bist du gefangen. Du kannst nicht aussteigen, du bist kein Geistkörper, sondern nur ein Mensch. Und du bist ein Gefangener. Ich schwöre dir, dass du London nicht lebend erreichen wirst. Du nicht und die anderen Fluggäste auch nicht. Dafür werde ich sorgen, denn das ist meine Rache…«
***
Ein normaler Arbeitstag bei Scotland Yard!
Nein, kein normaler Arbeitstag. Zumindest nicht für Glenda Perkins. Sie
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