1437 - Der Weg nach Bentu-Karapau
irgendeine interne Fehde verwickeln zu lassen.
Sie atmeten auf, als sie den Hauptkorridor verlassen konnten und in eine etwas ruhigere Wohngegend kamen.
Dao-Lin-H'ay mußte mehrmals ihre Notizen zu Hilfe nehmen. Schließlich deutete sie auf ein niedriges Haus, das sich am Ende einer engen Gasse unter einen Lavastrang duckte. „Hier muß es sein", sagte sie. Die Tür öffnete sich, und sie standen den beiden Agenten gegenüber
6.
Nach der Unterredung mit Ga-Nuin-L'ing hatte Dao-Lin-H'ay sie sich jung vorgestellt - jung, idealistisch und dickköpfig.
Idealistisch mochten sie durchaus sein, dickköpfig auch, aber jung waren sie nicht. Sie hatten beide die Mitte ihres Lebens längst hinter sich. Wer sie sah, der hielt sie gewiß nicht für gerissene Spione.
Abgesehen davon waren sie ein ziemlich ungleiches Paar, denn Sisa-Vart war um einen guten Kopf größer und Jahre älter als ihr Gefährte. Das schien Loi-Scrom jedoch nicht zu stören, denn er hatte trotzdem ein stark ausgeprägtes Selbstbewußtsein. „Wir führen niemanden nach Bentu-Karapau!" sagte er energisch, nachdem Dao-Lin-H'ay den Grund ihres Besuchs genannt hatte. „Schon gar nicht zwei Kartanin, die von Fio-Ghel-Sh'ou zu uns geschickt werden."
„Woher weißt du, daß wir bei ihr waren?" fragte Dao-Lin-H'ay. „So etwas spricht sich schnell herum", behauptete Loi-Scrom mit einer wegwerfenden Geste. „Es ist unser Beruf, über solche Dinge informiert zu sein. Wir kennen auch deinen Namen. Ich will hoffen, daß du ihn noch niemandem hier in Tekkado genannt hast, denn sonst..."
Er verstummte abrupt. „Was wäre dann?" fragte Dao-Lin-H'ay.
Er betrachtete sie nachdenklich, und Sisa-Vart machte ein Gesicht, als säße sie einem gefährlichen Insekt gegenüber. „Feng-Lu würde dich gerne in die Finger bekommen", sagte die Karaponidin. „Er hat eine Belohnung für dich ausgesetzt, für den Fall, daß du verrückt genug bist, das kartanische Hoheitsgebiet zu verlassen, und er will dich lebend."
Die Sache mit der Belohnung hörte Dao-Lin-H'ay kaum. Es war dieser Name, der sie förmlich elektrisierte. „Feng-Lu?" fragte sie entgeistert. „Erzähle mir nicht, daß du diesen Namen nicht kennst. Ich weiß, daß ihr bereits einen Zusammenstoß hattet!"
„Ja", murmelte Dao-Lin-H'ay nachdenklich. „Aber ich dachte, er wäre tot."
Sie erinnerte sich, an ihre Flucht durch den Wartungsschacht, an das berstende Geräusch, als der Treffer eines karaponischen Schiffes die ohnehin angeschlagene NARGA SANT durchgeschüttelt hatte, gerade in dem Augenblick, als sie durch einen Ausstieg hechtete.
Der Gang war eingedrückt worden. Sie hatte gespürt, wie Feng-Lus Gedanken und Gefühle erloschen waren. Danach hatte sie das Bewußtsein verloren, und als man sie fand, hatte sie kein gesteigertes Verlangen danach verspürt, nach Feng-Lus sterblichen Überresten zu suchen.
Vielleicht hätte sie darauf dringen sollen, daß man diese Suche aufnahm - dann hätte der karaponische Großadmiral jetzt in kartanischer Gefangenschaft gesessen und Dao-Lin-H'ay hätte eine Sorge weniger gehabt. Aber wer hatte damit rechnen können, daß Feng-Lu noch am Leben war? So wie dieser Wartungsschacht ausgesehen hatte...
Wie hatte er überhaupt entkommen .können?
Er war ganz gewiß nicht mehr imstande gewesen, aus eigener Kraft aus dem Schacht zu kriechen. Aber da waren noch ein paar Karaponiden in der Steuerzentrale gewesen. Die mochten ihn befreit haben.
Und wie hatten sie es geschafft, aus der NARGA SANT zu entfliehen? Da mußten doch schon die Kartanin um das gewaltige Wrack herumgeschwirrt sein! Gewiß, eines der karaponischen Schiffe war ihnen entkommen, aber es war niemals etwas davon erwähnt worden, daß es noch genug Zeit gefunden hatte, sich der NARGA SANT zu nähern und flüchtige Karaponiden aufzunehmen.
Im Grunde genommen spielte es keine Rolle. Feng-Lu lebte, und offenbar hatte er eine gehörige Wut auf Dao-Lin-H'ay. „Er wollte meine Leute erschießen", sagte sie. „Ich habe ihm das Muster meiner Krallen ins Gesicht geschrieben."
Sisa-Vart spreizte leicht die Finger, was einem Kopfschütteln gleichzusetzen war. „Damit hast du dir einen Todfeind geschaffen", stellte sie fest. „Ein Karaponide kann so etwas nicht auf sich sitzen lassen. Als ich von der Belohnung hörte, dachte ich, daß er nur irgend etwas von dir erfahren möchte und dich darum unbedingt lebend in die Hände bekommen muß. Aber jetzt ist mir natürlich klar, was er von dir
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