144 - Der Flug der Todesrochen
dir vorgeht! Oder soll ich das für dich übernehmen?«
Prompt zog der Hal seinen Geist zurück, um eine Aurenschmelze zu verhindern. Na also!
Er hatte also doch etwas zu verbergen…
Thgáan verfolgte den Disput mit großem Interesse. Zwei Herren, die sich derart irrational verhielten, das hatte noch kein Wesen erster Ordnung erlebt. Immer wieder wechselte er die Perspektive, konzentrierte sich mal auf die Sinne des einen Lesh’iye, schlüpfte dann wieder stärker in einen der anderen hinein. Je nachdem, welcher der Gebirgsquelle gerade am nächsten kreiste.
Der Streit, den er verfolgte, bot allerhand Grund zur Spekulation.
Rasch speiste Thgáan große Teile seines brach liegenden Verstandes mit den vorliegenden Fakten und begann mehrere Szenarien durchzuspielen. Konnte es sein, dass sich die Herren dem Verhalten irdischer Lebensformen anpassten, seit sie ihren Geist in die Modelle transferierten?
Gesetzt den Fall, dass diese These den Tatsachen entsprach, bedeutete das dann nicht, dass Veränderung eine ganz normale Sache war?
Zum Beispiel seine eigene Entwicklung?
Nun war das Verhalten, das der Hal und der Lin an den Tag legten, nicht gerade positiv zu bewerten, aber wenn Thgáan seinen neuen Nutzen unter Beweis stellte, musste diese Evolution dann nicht den Sol beeindrucken?
Voller Spannung wog Thgáan das Für und Wider seiner These ab und bemerkte dabei gar nicht, dass plötzlich vier statt drei Rochen über dem Bergwerk kreisten…
***
Im Anflug
Drei Rochen, die knapp fünfzig Meter über dem Boden ihre Runden drehten. Da stimmte etwas nicht. Das war verdächtig!
Aiko nahm sofort Kurs auf das Trio, um zu sehen, was ihr Interesse erregte. Unter ihm zog ein von Felsen, Spalten und Schrunden durchzogenes Terrain vorüber. Nur spärlich bewachsen. Vereinzelt Gräser, Büsche und Dornenranken, hin und wieder auch eine verwachsene Birke.
Mehr gab es nicht.
Unterhalb der Rochen lag eine umzäunte Siedlung, die sich trotzig von dem kargen Untergrund abhob. Einige Fördertürme – hölzerne, mit primitive Seilzügen versehe Vorrichtungen, die über in den Boden geschlagenen Löchern standen – machten deutlich, was eine Gemeinschaft dazu trieb, sich in dieser Einöde anzusiedeln.
Der Bergbau.
Obwohl Aiko diese Gegend zum ersten Mal besuchte, kam ihm alles sehr bekannt vor.
Die gedrungenen Hütten und die aus Feldstein gemauerten Schornsteine erinnerten ihn an ein Dorf, das er einmal in Begleitung von Matthew Drax und Aruula besucht hatte. Es lag viel weiter nördlich, dennoch im Einzugsgebiet des Kratersees und wurde von einem zwergenhaften Mutantenvolk bewohnt.
Den Narod’kratow.
Diese rauen, stark behaarten Bergleute, hatten das geförderte Eisenerz gleich in ihren Schmieden weiterverarbeitet. Den niedrigen Hütten dieses Dorfes nach zu urteilen, mussten hier Vertreter des gleichen Volkes leben.
Oder besser, gelebt haben. Schmutz und Zerfall ließen keinen Zweifel daran, dass hier schon lange niemand mehr wohnte.
Leer war das Dorf trotzdem nicht.
Schon von weitem entdeckte Aiko eine Gruppe aufrecht gehender Echsen, die um die Wasserstelle standen. In ihrer Mitte befand sich ein langes, röhrenförmiges Wesen aus milchigem Gallert, das gerade trank.
Was dieser Auflauf zu bedeuten hatte, war aus der Höhe nicht zu erkennen, da er aber nicht sonderlich bedrohlich wirkte, beschloss Aiko, ihn zu ignorieren. Seine Konzentration galt voll und ganz den Flugrochen, die ihre Herren aus der Luft absicherten.
Aiko mischte sich mit Manta One unauffällig unter das Trio, das ihn nicht weiter beachtete. Zufrieden aktivierte er die Sprühdüse und löste sich aus dem Pulk. Ohne bei Daa’muren oder Rochen Verdacht zu erregen, flog er weiter.
In sicherer Entfernung machte er Halt, um noch einmal die Wirkung seiner Aktion zu beobachten. Er nutzte die Pause, um die Augen zu öffnen. Sekundenlang überlagerte sich die eigene Wahrnehmung mit der Aufnahme der Außenkamera, dann trennte sein Hirn beide Bilder und er sah wieder klar.
Ohne Hast griff er mit der freien Hand nach der Wasserflasche und nahm einen Schluck, um die trockene Kehle zu befeuchten. Mehr brauchte er nicht.
Aiko spürte weder Hunger noch Durst. Diese Meldungen wurden auf seinen Wunsch hin unterdrückt. Da er während des Fluges vollkommen still lag, kam er problemlos achtundvierzig Stunden lang mit nur einem Liter Wasser aus, ohne dabei Schaden zu nehmen. Solange wollte er nonstop im Einsatz bleiben und dabei mindestens einmal den
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